Rede von Dr. Ahmad Muhaisen
vor der Griechischen Botschaft in Berlin am
07.07.2011
Wir stehen heute vor der
griechischen Botschaft in Berlin, um unseren Protest
dagegen auszusprechen, dass die griechische
Regierung – nicht die griechische Bevölkerung –
entschieden hat, die Schiffe der zweiten
Friedensflotte nach Gaza nicht aus ihren Häfen
auslaufen zu lassen.
Wir Palästinenser sind enttäuscht darüber, dass sich
die griechische Regierung damit gegen den Wunsch der
internationalen Pazifisten stellt, sich mit den
Menschen in Gaza zu verbrüdern, ihre Not zu
beschreiben, sie nicht allein zu lassen und gegen
die israelische Blockade von Gaza zu protestieren.
Die die klare Forderung stellen wie so viele
Menschen in der Welt: Schluss mit der Blockade von
Gaza, sofort. Wir wissen, dass Griechenland von
Israel, den USA und von einigen europäischen Ländern
unter Druck gesetzt wurde. Leider. Wir Palästinenser
kannten ein anderes, ein solidarisches Griechenland
…!
Am Anfang waren es zehn Schiffe, mehr als im letzten
Jahr, die sich mit Hilfsgütern und dringend
benötigten Medikamenten an Bord auf den Weg machen
wollten, um die Welt aufzurütteln darüber, dass die
Blockade gegen Gaza jetzt schon im fünften Jahr von
den israelischen Besatzern aufrecht erhalten wird.
Gegen den Protest in der Welt, gegen den Protest der
Menschen in Ägypten, gegen die vielen Stimmen von
bekannten Persönlichkeiten, und auch gegen den
einstimmigen Beschluss des deutschen Parlaments im
letzten Jahr.
Israel stellt sich taub, erfindet immer neue Gründe,
warum die Blockade von Gaza, dem größten
Freiluftgefängnis der Welt, bestehen bleiben soll.
Einmal heißt es, es herrsche kein Mangel, ein
andermal müsse verhindert werden, dass angeblich
Waffen geschmuggelt werden. Zement darf nicht
eingeführt werden, weil man damit auch Bunker bauen
könnte, denn es gibt bisher keine Bunker zum Schutz
vor Bomben in Gaza, es gibt nicht einmal Keller
unter den meisten Häusern.
So sind bis heute die Schäden der Bombardierung
Gazas von Ende Dezember 2008/Anfang 2009 noch immer
nicht beseitigt, die Häuser konnten mangels Zement
nicht wieder aufgebaut werden.
Wir sehen Interviews mit den Menschen auf den
Schiffen, die uns zu Herzen gehen: Das amerikanische
Schiff trägt den Namen des Buchtitels von Präsident
Obamas Bestseller, mit dem er an die Macht kam: Es
soll ihn an seine Versprechen erinnern, die er vor
seiner Wahl gemacht hat und doch heute vergessen zu
haben scheint: Die Hoffnung auf Frieden, Beendigung
der Kriege in Irak und Afghanistan, Ende von Folter,
Geheimgefängnissen und Unterstützung
undemokratischer Regime. Und das Bemühen um einen
gerechten Frieden im Nahen Osten.
Die afroamerikanische Schriftstellerin Alice Walker,
Literaturnobelpreisträgerin, sprach Sätze, die in
das große Buch der Menschheitsgeschichte für den
Frieden eingetragen werden müssen: Sie erinnerte an
die Jahrhunderte dauernde Unterdrückung der
Schwarzen in Amerika und dass sie in der Zeit ihres
Kampfes für Gerechtigkeit auch immer Hilfe von außen
erfahren hätten. Sie sagte, es sei eine wunderbare
Tradition, zu Menschen zu gehen, die uns brauchen,
wo auch immer auf der Welt.
Sie sagte … „Wenn wir uns ansehen, was den
Palästinensern geschieht in all den Jahrzehnten, das
ist nicht auszuhalten. Wir wollen das nicht
akzeptieren. Wir wollen nicht ..! Als Amerikaner mit
unserer Geschichte der Versklavung von Menschen, mit
Rassentrennung, Apartheid, Brutalisierung, mit dem
Lynchen von Menschen. Wir werden das nicht
akzeptieren. Wir werden es nicht tun. Und deshalb“,
so sagt sie weiter, „ihr Menschen in Gaza, und
besonders die Kinder dort, wir sind auf dem Weg, wir
kommen, wir hören euch, wir kommen.“ Ein langer
Beifall unterbrach ihre Rede.
Auch die berühmte Irin Mairead Maguire schrieb einen
wunderbaren Artikel über die Menschen und ihre
Botschaft an die Welt. Sie seien Helden. Mairead
Maguire war selber zweimal auf einem Schiff in
Richtung Gaza. Welch ein anderes Bild zeichnet die
israelische Propaganda von ihnen!
Wir sind unendlich dankbar für diese große
Unterstützung unseres Kampfes für Gerechtigkeit,
einen eigenen Staat, für ein Ende der israelischen
Besatzung. Im letzten Jahr waren Annette Groth, Inge
Höger und Norman Paech von der Partei DIE LINKE auf
der Mavi Marmara, als die Friedens-Schiffe von 1000
israelischen Soldaten nachts in internationalen
Gewässern überfallen wurden. Neun Pazifisten wurden
getötet, sieben davon, so steht es in dem
Untersuchungsbericht des UN-Menschenrechtsrats,
wurden regelrecht hingerichtet und 50 Menschen zum
Teil schwer verletzt. Alle wurden nach Ashdod
gebracht und entweder ausgewiesen, weil sie
angeblich illegal eingereist waren und sie erhielten
ein Wiedereinreiseverbot, oder sie kamen ins
Krankenhaus. Die Verletzten wurden zwar von den
Ärzten behandelt, einige wurden aber an den Händen,
andere an Händen und Füßen von Soldaten an das
Krankenbett gefesselt. Viele wurden in den
Gefängnissen oder beim Abflug misshandelt. Man kann
wirklich sagen, die Israelis gingen derartig hart
und ungerecht mit den Pazifisten um, damit sie
später zu Hause erzählen, was ihnen angetan wurde
und keiner sich traut, wieder zu kommen.
Umso höher ist der Mut der diesjährigen Teilnehmer
der Friedensflotte zu schätzen. Sie sind die
Hoffnung einer Welt ohne Krieg und Unterdrückung.
Sie geben ein noch nie dagewesenes Beispiel der
Menschlichkeit gegen eine ebenso noch nie dagewesene
lange andauernde Unmenschlichkeit.
Sie handeln zurzeit nach ihrem oft gesagten Slogan:
„We will never give up.“ Es gab eine Demonstration
vor der amerikanischen Botschaft in Athen. Es gab
einen begrenzten Hungerstreik. Es gab den Versuch
auf einem Schiff, trotz Verbot doch loszufahren, und
als die griechischen Beamten kamen und nach dem
Kapitän fragten, sagten die Menschen auf dem Schiff:
Hier sind 35 Kapitäne, suchen Sie sich einen aus.
Denn der Kapitän eines Schiffes war ins Gefängnis
gekommen, ist aber wieder frei. Es gibt viel
Solidarität, vor allem von linken Parteien in
Griechenland und in Frankreich. Es gibt
Rechtsanwälte, die versuchen, juristisch gegen das
Auslaufverbot für die Schiffe vorzugehen. So gibt es
also immer noch die Hoffnung, dass einige Schiffe
doch fahren werden.
Wir sind aber auch der Ansicht, dass Deutschland
sich anders hätte einsetzen müssen, nachdem das
Parlament im letzten Sommer einstimmig gefordert
hat, dass Israel die Blockade von Gaza beendet. In
der Zwischenzeit hätte es mehrere Möglichkeiten für
die Regierung gegeben, diesen Beschluss umzusetzen
und Druck auf die israelische Regierung auszuüben,
so wie das zum Beispiel die Menschenrechtssprecherin
Annette Groth von der Partei DIE LINKE angemahnt
hat.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie von
Israel fordert, keine Gewalt gegen die Pazifisten
anzuwenden und keine Lügen über sie zu verbreiten
und sie nach Gaza fahren zu lassen.
Erst vor ein paar Tagen erreichte uns ein Hilferuf
aus Gaza: In den Krankenhäusern gehen den Ärzten die
Medikamente aus. Lebensnotwendige Operationen können
nicht vorgenommen werden. Viele Menschen leben nach
wie vor in Zelten, viele Kinder sind schlecht
ernährt oder unterernährt. Der Boden in Gaza ist
stellenweise verseucht durch DU-Munition, also
uranabgereicherte Munition, es müsste eine
Bodenentgiftung vorgenommen werden, um langfristig
Krankheiten zu vermeiden.
Die Kläranlagen sind immer noch nicht wieder
repariert. Verschmutztes Wasser muss ins Meer
abgeleitet werden und bedroht den Fischbestand. Da
die Fischer nur im Umkreis von drei Meilen zurzeit
fischen dürfen, bedroht diese Situation auch die
Menschen.
Und zu all dem kommt die Bedrohung von Willkür,
gezielter Tötung oder auch Raketenangriffen.
Und trotzdem: Immer wieder hören wir von Menschen,
die kürzlich in Gaza waren, wie erstaunt sie sind
über die Freundlichkeit und Herzlichkeit der
Menschen dort, über ihren Lebensmut.
So bitten wir die griechische Regierung von diesem
Ort aus, die Schiffe fahren zu lassen und zu der
Solidarität mit den Palästinensern wie in früheren
Jahren zurückzukehren.
Fordern Sie von der israelischen Regierung die
Einhaltung internationaler Seerechte und ein Ende
der Blockade von Gaza.
Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker
Arabische und palästinensische Vereine in Berlin
Deutsche Initiative zum Bruch der Gazablockade