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Etwas "heile Welt"
 

Zain Masri hat eigenhändig rund 1.000 Stickerei-Muster digitalisiert, die sich jetzt herunterladen und ausdrucken lassen. (Foto: Dank an Zain Masri)

Palästinensisches Kulturerbe

Der Zauber palästinensischer Stickerei jetzt online

Die preisgekrönte Unternehmerin Zain Masri hat traditionelle palästinensische Kreuzstichmuster digitalisiert. Nun stehen sie zum Download bereit. Sie bergen erstaunliche Geheimnisse und erzählen komplexe Geschichten.


Jennifer Holleis - 13.11.2023

Gut erinnert sich Zain Masri an das aufregende Gefühl, als sie im Alter von sieben Jahren ihr erstes Kreuzstichmotiv fertigstellte. "Während der Ferien bei meiner Großmutter in Jordanien war die Stickerei über Jahre meine Lieblingsbeschäftigung", erzählt die 31-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW).

Doch mit den Jahren verlor die Stickerei für die junge Frau immer mehr an Bedeutung. Erst während der Corona-Pandemie knüpfte die in Dubai lebende Marketingexpertin wieder an die familiäre Tradition des Kreuzstichs mit palästinensischen Motiven an.

"Ich habe mich in dieser Zeit von digitalen Stickgemeinschaften inspirieren lassen", erzählt sie der DW. Dabei erkannte sie, dass viele Interessierte hochauflösende Muster vermissen, die ihnen als Vorlage dienen können. Dem wollte sie abhelfen.

"Es sollte einen Ort für digitalisierte, druckbare und frei verfügbare Muster geben, da es sich um ein kulturelles Erbe handelt", sagte sich Masri - und entschloss sich, nicht darauf zu warten, dass jemand anderes eine solche Datenbank einrichtet.

"Tatreez": gestickte Botschaften aus Palästina


Ein Stück kulturelle Identität: Die Tatreez-Initiativen in den Flüchtlingslagern verbessern die Lebensqualität der Menschen und sorgen zugleich dafür, dass das traditionelle Handwerk unter den harten Bedingungen in Palästina nicht ausstirbt. Schließlich ist Tatreez auch ein wichtiges Symbol für die kulturelle Identität der Palästinenser. Sie tragen die wertvollen Stickereien an Feiertagen, auf Hochzeiten oder anderen Festen.

Kunsthandwerk in die Zukunft retten: Abbadis Ziel ist es, den jetzigen Stand des Handwerks zu dokumentieren, um es für zukünftige Generationen zu erhalten. Auch die palästinensich-amerikanische Autorin Wafa Ghnaim widmet sich in ihrem Buch "Tatreez & Tea" (2016) diesem Thema. Dank zeitgenössischen Künstlern wie Jordan Nassar schaffte Tatreez sogar den Sprung in US-amerikanische Galerien.

Lange Tradition: Das arabische Wort "Tatreez" bezeichnet die einzigartige Stickerei, die es nur in Palästina gibt. Die Ursprünge der Tradition sollen auf die Zeit um 1000 v. Chr. zurückgehen. Dieses Kunsthandwerk war stets Frauen vorbehalten, sagt die Fotografin Fatima Abbadi. Die Mütter hätten es ihren Töchtern weitergegeben. Ähnlich wie bei Kochrezepten habe jede Generation etwas eigenes hinzugefügt.

Eine Sprache ohne Worte: Aber "Tatreez" ist viel mehr als nur ein Hobby oder Dekoration. Die Tradition hat Hunderte von Symbolen hervorgebracht, die Informationen über die Trägerin beinhalten. Erkennbar ist etwa, ob sie reich oder arm, ledig, verwitwet oder verheiratet ist. Für Nichtkenner sind die verschiedenen Farben und Symbole wie eine geheime Sprache.

Von Flüchtlingslagern in die ganze Welt: Oft ist das Kunsthandwerk die einzige Einkommensquelle für Frauen in Flüchtlingslagern. Programme wie "Darzah" oder das durch die EU finanzierte Projekt "Tatreez" haben Frauen geholfen, neue Werkstätten zu errichten, kreative Designs zu entwerfen und ihre Produkte im Westen zu verkaufen. Die Frauen lernen auch, wie sie ihr eigenes kleines Unternehmen aufbauen.

Stickkunst ernährte ganze Familien: Die Muster variieren von Region zu Region. In der Vergangenheit haben viele Familien die feinbestickten Kleidungsstücke für Notzeiten aufbewahrt. Ein einziger Ärmel etwa brachte genug Geld für eine medizinische Behandlung ein, während ein komplettes Kleid für die Ausbildung eines Kindes reichte. "Solche Erinnerungen werden mit jedem einzelnen bestickten Kleid lebendig", sagt Abbadi.

Wie aus einer Tradition Mode wurde: Wenn Tatreez international erfolgreich sein soll, muss es modernisiert werden. So bereichern junge Modedesigner die Stickereien mit neuen Farben und besticken auch moderne westliche Kleidungsstücke. Dank Marken wie "All Things Mochi" oder "SEP Jordan" wird Tatreez-Mode mittlerweile international gekauft und sogar in der Modezeitschrift "Vogue" vorgestellt.

Ein Stück kulturelle Identität: Die Tatreez-Initiativen in den Flüchtlingslagern verbessern die Lebensqualität der Menschen und sorgen zugleich dafür, dass das traditionelle Handwerk unter den harten Bedingungen in Palästina nicht ausstirbt. Schließlich ist Tatreez auch ein wichtiges Symbol für die kulturelle Identität der Palästinenser. Sie tragen die wertvollen Stickereien an Feiertagen, auf Hochzeiten oder anderen Festen.

Kunsthandwerk in die Zukunft retten: Abbadis Ziel ist es, den jetzigen Stand des Handwerks zu dokumentieren, um es für zukünftige Generationen zu erhalten. Auch die palästinensich-amerikanische Autorin Wafa Ghnaim widmet sich in ihrem Buch "Tatreez & Tea" (2016) diesem Thema. Dank zeitgenössischen Künstlern wie Jordan Nassar schaffte Tatreez sogar den Sprung in US-amerikanische Galerien.

Lange Tradition: Das arabische Wort "Tatreez" bezeichnet die einzigartige Stickerei, die es nur in Palästina gibt. Die Ursprünge der Tradition sollen auf die Zeit um 1000 v. Chr. zurückgehen. Dieses Kunsthandwerk war stets Frauen vorbehalten, sagt die Fotografin Fatima Abbadi. Die Mütter hätten es ihren Töchtern weitergegeben. Ähnlich wie bei Kochrezepten habe jede Generation etwas eigenes hinzugefügt.

Eine Sprache ohne Worte: Aber "Tatreez" ist viel mehr als nur ein Hobby oder Dekoration. Die Tradition hat Hunderte von Symbolen hervorgebracht, die Informationen über die Trägerin beinhalten. Erkennbar ist etwa, ob sie reich oder arm, ledig, verwitwet oder verheiratet ist. Für Nichtkenner sind die verschiedenen Farben und Symbole wie eine geheime Sprache.

Tausende Stunden am Computer

Knapp 25 Jahre nachdem ihre Großmutter sie mit dem Tatreez, der traditionellen nahöstlichen Nadelarbeit, bekannt gemacht hatte, gründete Masri Tirazain die erste digitale Stickereidatenbank mit traditionellen palästinensischen Kreuzstichmustern. Auch stellte sie Informationen über die Herkunft und die ästhetischen Merkmale der Muster bereit. Typische Motive snd etwa Palmen, gezackte Muster in verschiedenen Farben oder solche, die den Kacheln des Tempelbergs in Jerusalem ähneln.  mehr >>>

Die verzeichnete Todesopferrate von Palästinensern in Gaza

 lag am 10. November um 14:00 Uhr
(letztes verfügbares Update)

bei 11.078 Menschen

darunter 4.506 Kinder

und          3.027 Frauen.

Weitere 27.490 Palästinenser wurden verletzt.

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Führende Linke solidarisieren sich mit Greta Thunberg

17. November 2023
 

In Deutschland haben sich viele von der schwedischen Klimaaktivistin distanziert, halten ihre Äußerungen zum Krieg in Nahost für untragbar. Doch jetzt bekommt Thunberg Zuspruch.

Greta Thunberg steht wegen ihrer Position in der Debatte um den Gaza-Krieg gerade massiv in der Kritik. Der deutsche Ableger von Fridays for Future hat sich von ihr distanziert, Luisa Neubauer, das prominenteste Gesicht der Klimabewegung hierzulande, hat in Interviews ausführlich dargelegt, warum sie Thunbergs Position für untragbar hält.

Die schwedische Klimaaktivistin hatte sich mehrmals klar propalästinensisch geäußert. Das für sich alleine genommen wäre vielleicht noch kein Problem gewesen, allerdings erwähnte sie den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und das Leid der israelischen Opfer mit keinem Wort. Zudem gab es von Seiten der internationalen Fridays for Future-Organisation zahlreiche Posts und Äußerungen, die klar antisemitische Narrative enthielten.

Nun erhält Thunberg jedoch Zuspruch. Mehrere führende Linke-Politiker stellten sich hinter die Aktivistin. "Der Umgang mit ihr ist zu hart. Es ist berechtigt, Israel für den Umgang mit der Zivilbevölkerung in Gaza zu kritisieren", sagt zum Beispiel der frühere Parteichef Bernd Riexinger im Spiegel. Im Gazastreifen werde man Zeuge einer humanitären Katastrophe. Dies anzusprechen sei "kein Antisemitismus und auch keine Relativierung des furchtbaren Terrors der Hamas". In anderen Ländern, die nicht die Verantwortung für den Holocaust hätten, sei es "selbstverständlicher die israelische Politik zu kritisieren, ohne des Antisemitismus verdächtig zu werden", sagte Riexinger. Die Klimabewegung solle sich nicht durch den ungelösten Konflikt im Nahen Osten spalten lassen, sie könne unterschiedliche Standpunkte aushalten.

Die Linke trifft sich am Wochenende in Augsburg zum Parteitag. Dort werden auch Kontroversen über den Krieg in Nahost erwartet. Linke-Vorstandsmitglied Luigi Pantisano sagte: "Ich bin mit Greta Thunberg solidarisch.  >>>

Quelle Facebook - Um alle Bilder zu sehen oder zu vergrößern auf das Bild klicken
 

Fotos: MohammedZaanoun/Activestills #Gaza #GazaUnderAttack - 17. 11. 2023

Ein vierjähriges Kind aus Al-Rifi, das in der vergangenen Nacht bei einem israelischen Bombardement seine Eltern und mehrere Geschwister verloren hat, sucht Schutz in einer Wohnung im Flüchtlingslager Nusseirat.

Die Familie Al-Rifi, die aus Gaza-Stadt geflohen ist, wurde in der vergangenen Nacht von den Israelis bombardiert; viele Mitglieder wurden verletzt und mindestens 15 Mitglieder wurden getötet. Etwa 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen sind auf der Flucht und suchen Schutz in Schulen, Krankenhäusern, Moscheen, Kirchen und öffentlichen Gebäuden, da die israelischen Kolonialtruppen die belagerte Enklave weiterhin bombardieren. Mehr als 11.180 Palästinenser wurden durch israelische Luftangriffe getötet, darunter 4.710 Kinder. Tausende werden noch immer unter den Trümmern vermisst. Das Gesundheitsministerium von Gaza hat die Zählung der Opfer eingestellt, weil das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist.  Quelle

Um das Video zu sehen, auf das Bild klicken


Umkämpftes Krankenhaus in Gaza Ein Armeevideo, ein paar Kalaschnikows – und viele offene Fragen


Israelische Soldaten haben nach eigenen Angaben im Schifa-Krankenhaus Waffen und Ausrüstung der Hamas gefunden. Um Zweifel zu zerstreuen, veröffentlichte die Armee ein ungeschnittenes Video. Doch die Kritik wächst.


Spiegel online - 16.11.2023

 

Kurzkommentar - E. Arendt - Hat uns die Hasbara-Abteilung nur eine neue "Ente" geliefert?

Man zeigt eine Waffe hinter einem Scanner, zeigt einen kleinen Raum mit einigen Waffen und anderen Teilen.

Das soll also das Hauptquartier der Hamas sein, mehrere Stockwerke tief?

Mit solchen Berichten macht man sich unglaubwürdiger, als man ohnehin schon ist.

Spöttische Stimmen, die bemerkt haben, dass sie nach zwei Tagen immer noch nicht diese riesige Anlage präsentieren, sagen, sie bauen gerade ein Hauptquartier und bringen Waffen und notwendiges Zubehör rein...

Andere Stimmen schreiben, sie wüssten das so genau, weil sie es selbst gebaut hätten, als Israel noch Gaza besetzt hielt:

"Und 2014 behauptete die israelfreundliche Publikation Tablet: "Die Israelis sind sich der Lage des Hamas-Bunkers so sicher ... nicht, weil sie versuchen, Propagandapunkte zu sammeln, oder weil er wiederholt von westlichen Reportern beiläufig erwähnt wurde - sondern weil sie ihn gebaut haben."

"Damals, 1983, als Israel noch den Gazastreifen beherrschte, bauten sie einen sicheren unterirdischen Operationssaal und ein Tunnelnetz unter dem al-Shifa-Krankenhaus - was einer von mehreren Gründen ist, warum israelische Sicherheitsquellen so sicher sind, dass es einen Hauptkommandobunker der Hamas in oder um den großen Zementkeller unter dem Bereich von Gebäude 2 des Krankenhauses gibt", fügte Tablet hinzu."  Quelle

 

 

OCHA - Feindseligkeiten im Gazastreifen und Israel
Flash Update #40

 


Ein Zeltlager, in dem palästinensische Familien Zuflucht in Süd-Gaza gesucht haben. Am 15. November erweiterten die israelischen Behörden ihre Aufforderung zur Evakuierung, die bisher dem Norden des Gazastreifens galten, auf Teile des Südens. Foto der WHO,

15. November 2023

KERNPUNKTE

Am 15. November drangen israelische Truppen, einschließlich Panzer, in das Gelände des Shifa-Krankenhauses in Gaza Stadt ein und übernahmen die Kontrolle mehrerer Abteilungen, durchsuchte sie und verhörte die Menschen. Durch den Abbruch der Kommunikation in dem Gebiet bleibt die Auswirkung des Militäreinsatzes weiter unklar.

Von 24 Krankenhäusern im Norden mit stationärer Aufnahmekapazität ist zur Zeit nur eines, das Al Ahli in Gaza Stadt, in Betrieb und nimmt Patienten auf. 18 Krankenhäuser wurden geschlossen und seit Beginn der Kämpfe evakuiert, drei von ihnen – An Nasr, Ar Rantisi und Al Quds – in den letzten drei Tagen.

Weitere fünf Krankenhäuser, darunter Shifa, stellen den dort bereits aufgenommenen Patienten nur äußerst begrenzte Dienstleistungen bereit. Diese Krankenhäuser sind nicht erreichbar, haben keinen Strom und können keine neuen Patienten aufnehmen.

Die Gesellschaft des Palästinensischen Roten Halbmondes (PRCS) berichtet, dass sie nicht in der Lage war, auf hunderte Anrufe von Menschen, die um Hilfe und Evakuierung von Verwundeten oder unter den Trümmern Eingeschlossenen baten, zu reagieren. Die IDPs, die aus dem Norden flohen, berichteten von Leichen, die auf den Straßen lagen. Am 10. November waren und blieben ungefähr 2.700 Menschen, darunter etwa 1.500 Kinder, vermisst. Das Gesundheitsministerium in Gaza (MoH) vermutet sie tot oder eingeschlossen unter den Trümmern.

Krankenhäuser und medizinische Mitarbeiter werden nach dem humanitären Völkerrecht (IHL) besonders geschützt. Alle Konfliktparteien müssen ihren Schutz garantieren. Krankenhäuser dürfen nicht eingesetzt werden, um militärische Ziele vor Angriffen zu schützen. Alle Militäroperationen um Krankenhäuser herum oder innerhalb derselben müssen Schritte ergreifen, um Patienten, medizinische Mitarbeiter und andere Zivilisten zu schonen und zu beschützen. Alle verfügbaren Vorkehrungen müssen getroffen werden, darunter wirksame Warnungen, die die Fähigkeit der sicheren Evakuierung von Patienten, medizinischem Personals und anderen Zivilisten berücksichtigen.

Am 15. November wurden ca. 23.000 Liter Treibstoff aus Ägypten in Gaza eingeführt, die erste derartige Lieferung seit dem 7. Oktober. Die israelischen Behörden erlauben den Verbrauch dieses Treibstoffes lediglich für LKWs der UNRWA, die Hilfslieferungen verteilen. Die Einfuhr von Treibstoff für alle anderen Zwecke bleibt weiterhin verboten, auch die für Krankenhausgeneratoren und Wasser- und Sanitäreinrichtungen. Da die UNRWA circa 160.000 Liter Treibstoff pro Tag benötigt, um grundlegende humanitäre Maßnahmen auszuführen, musste sie wichtige Dienstleistungen einstellen.
Am 15. November wurde die As Salam Mühle in Deir Al Balah Berichten zufolge (von Bomben) getroffen und zerstört. Das war die letzte funktionierende Mühle in Gaza, und deren Zerstörung bedeutet, dass vor Ort erzeugtes Mehl in Gaza in naher Zukunft nicht verfügbar sein wird.

Auch am 15. November gaben Gazas Telekommunikationsunternehmen die sukzessive Beendigung sämtlicher Kommunikations- und Internetdienste im Streifen an, da die Treibstoffreserven zum Betreiben der Generatoren aufgebraucht sind. Humanitäre Agenturen und Ersthelfer haben davor gewarnt, dass Stromausfälle die Bereitstellung von lebensrettender Hilfe gefährden.
Ebenso soll das israelische Militär Berichten zufolge Flyer in den Ostgebieten von Khan Younis, im südlichen Gaza verteilt haben, die den Bewohnern von Al Qarara, Khuza’a, Bani Suheila und Abasan befahlen, „sofort in „bekannte Unterkünfte“ zu evakuieren“.
Im Norden verbleiben hunderttausende Menschen, die inmitten intensiver Kämpfe nicht bereit oder in der Lage sind, in den Süden zu gehen. Sie ringen, um ein Minimum von Wasser und Nahrung zum Überleben sicherzustellen. Der Wasserverbrauch aus unsicheren Quellen lässt Sorgen im Hinblick auf Dehydrierung und wasserbedingte Erkrankungen aufkommen. Das Welternährungsprogramm (WFP) äußerte sich besorgt im Hinblick auf Mangelernährung und Hungersnot.

Der UN-Notfallhilfe-Koordinator, Martin Griffiths, erklärte heute: „Das Gemetzel in Gaza darf nicht länger zugelassen werden.“ Er präsentierte einen Zehn-Stufen-Plan zur Bewältigung der sich entfaltenden humanitären Krise, einschließlich der Vereinbarung eines humanitären Waffenstillstandes, der Einhaltung des humanitären Völkerrechts, sowie der Erlaubnis, Treibstoff einzuführen.

Feindseligkeiten und Opfer (Gazastreifen)

In der Nacht (14.-15. November) gingen die Auseinandersetzungen zwischen israelischen Streitkräften und bewaffneten palästinensischen Gruppen in und um Gaza Stadt herum, sowie in mehreren Gegenden im Nord-Gaza Gouvernement und in Khan Younis (im Süden) weiter. Massive Angriffe der israelischen Streitkräfte werden auch im Süden fortgesetzt. Die israelischen Bodentruppen haben die effektive Trennung des Nordens vom Süden beibehalten, mit Ausnahme des “Korridors” nach Süden.

Tödliche Angriffe in den letzten 24 Stunden enthielten Folgendes: Am 14. November, nachmittags, trafen Berichten zufolge Luftangriffe die Al Mohophin-Schule, in Sheikh Radwan-Viertel von Gaza Stadt, und töteten 17 Menschen. Am selben Tag, um circa 20:30 Uhr, wurde berichtet, dass Luftangriffe ein Wohngebäude im As Saftawi-Gebiet, im Norden von Gaza Stadt, getroffen und 13 Menschen getötet haben, darunter sechs Frauen. Am Mittag des 14. Novembers trafen Luftangriffe Berichten zufolge ein Gebäude in Al Qarara, im Osten von Khan Yunis, und töteten neun Personen. Am 15. November, gegen Mittag, trafen Luftangriffe das As Salhi Towers-Gebiet, in Nuseirat, wobei 14 Menschen getötet wurden.

Am 15. November, dem fünften Tag infolge nach dem Zusammenbruch von Diensten und Kommunikationen in den Krankenhäusern im Norden, war das MoH in Gaza außer Stande, Opferzahlen zu aktualisieren. Die verzeichnete Todesopferrate von Palästinensern in Gaza lag am 10. November um 14:00 Uhr (letztes verfügbares Update) bei 11.078, darunter 4.506 Kinder und 3.027 Frauen. Weitere 27.490 Palästinenser wurden verletzt, wie berichtet wird.

In den letzten 24 Stunden wurden offiziellen israelischen Quellen zufolge zwei israelische Soldaten in Gaza getötet, wodurch die Anzahl der seit Beginn der Bodenoperationen getöteten Soldaten auf 53 steigt.


Vertreibung (Gazastreifen)

Am 15. November öffnete das israelische Militär – das die Bewohner im Norden aufgefordert hatte in den Süden zu evakuieren – erneut von 9:00 bis 16:00 Uhr einen “Korridor” entlang der Hauptverkehrsader, der Salah Ad Deen-Straße. Das israelische Militär kündigte außerdem eine „taktische Unterbrechung der Militäraktivitäten“ in den As Salam- und An Nour-Vierteln von Jabaliya zwischen 10:00 und 14:00 Uhr an, um den Aufbruch der Menschen gen Süden zu ermöglichen. OCHAs Beobachterteams schätzen, dass circa 8.000 Menschen während des Tages wegzogen.

Die israelischen Streitkräfte haben einige IDPs, die über den “Korridor“ flohen, verhaftet. Es gibt anekdotische und Augenzeugenberichte, dass einige IDPs geschlagen und entkleidet wurden. Am 14. November berichteten Binnenvertriebene (IDPs), dass die israelische Armee einen unbemannten Kontrollpunkt errichtet habe, wo Personen aus der Ferne angewiesen werden, zwei Kontrollpunkte zu passieren, in die ein Überwachungssystem eingebaut wurde, wie man vermutet. Den IDPs wird angeblich befohlen, ihre Ausweise vorzuzeigen und sich einem scheinbaren Gesichtswiedererkennungsscan zu unterziehen.

In den letzten 48 Stunden wurden die IDPs, die außerhalb der überfüllten Unterkünfte im Süden blieben, zeitweise Regengüssen und Überflutungen ausgesetzt, die Zelte und provisorische Plätze, wo sie Zuflucht gesucht hatten, beschädigten oder sogar zerstörten. Diese Bedingungen setzen die IDPs einem wachsenden Risiko von Krankheit und wasserbedingten Erkrankungen aus.
Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Gaza wurden nach Schätzungen binnenvertrieben, darunter circa 813.000 IDPs, die in mindestens 154 UNRWA-Unterkünften bleiben. Die UNRWA -Unterkünfte beherbergen bei Weitem mehr Menschen als ihre beabsichtigte Kapazität. Überfüllung führt zum Ausbruch von Krankheiten, darunter akute Atemnot-Erkrankungen und Diarrhöe, was immer mehr Sorge im Hinblick auf die Umwelt und Gesundheit aufkommen lässt. Die Überfüllung wirkt sich auf die Fähigkeit der Agentur aus, effektive und rechtzeitige Dienste zu erbringen.

Humanitärer Zugang (Gazastreifen)


Am Nachmittag des 15. Novembers traf ein LKW mit Treibstoff in Gaza ein. Es gab jedoch zu wenig Zeit, um die LKWs wieder aufzutanken, die zur Verteilung der humanitären Hilfsgüter, die am 14. November an Lager in Rafah geliefert wurde, benötigt wurden. Da die Lagerkapazität ausgelastet war, konnte die Agentur keine zusätzlichen humanitären Lieferungen mehr empfangen.

Dutzende von LKWs warten auf ägyptischer Seite am Rafah-Übergang und werden am 16. November in Gaza erwartet. Seit dem 21. Oktober überquerten 1.139 LKWs, die hauptsächlich mit Medizin, Lebensmittel und Wasser beladen waren, von Ägypten aus den Rafah-Übergang, was jedoch nur einen Bruchteil des Bedarfs deckt.

Am 14. November wurde die ägyptische Grenze zwecks Evakuierung von circa 600 Ausländern und Bürgern mit doppelter Staatsangehörigkeit sowie vier Verletzte geöffnet. Zwischen dem 2. und 13. November wurden etwa 135 Verletzte zur medizinischen Versorgung nach Ägypten überwiesen.

Der Kerem Shalom-Übergang nach Israel, der vor den Kämpfen der Haupteingangspunkt für Güter war, bleibt geschlossen. Medienberichten zufolge haben die israelischen Behörden Forderungen der Mitgliedsstaaten diesen Übergang zu öffnen, um die Einfuhr humanitärer Hilfsgüter zu erweitern, abgelehnt.


Elektrizität


Seit dem 11. Oktober herrschte im Gazastreifen ein völliger Stromausfall, nachdem die israelischen Behörden die Stromzufuhr gesperrt hatten und die Treibstoffreserven für Gazas einziges Kraftwerk aufgebraucht waren. Die Einfuhr von Treibstoff, der dringend benötigt wird, um die Funktion der Stromgeneratoren zur Betreibung lebenserhaltender Geräte zu gewährleisten, (ist verboten).


Gesundheitsversorgung, einschließlich Angriffen (Gazastreifen)

Bevor das israelische Militär in das Gelände des Shifa-Krankenhauses eingedrungen ist, wurde es dem Gesundheitsministerium in Gaza zufolge bombardiert und teilweise beschädigt, darunter auch die Abteilung für Spezialoperationen, die Abteilung für Koronarversorgung sowie ein Warenlager. Nach dem Eindringen der Truppen wurden Patienten, Personal und IDPs innerhalb des Geländes angeblich wieder untergebracht.

Am 14. November wurden etwa 200 Personen, darunter medizinische Mitarbeiter sowie 25 Patienten von der Gesellschaft des Palästinensischen Halbmondes (PRCS) aus dem Al Quds-Krankenhaus in Gaza Stadt in ein Krankenhaus in Khan Younis, im Süden, evakuiert. Die Anreise, die angeblich sieben Stunden dauerte, wurde teilweise zu Fuß mitten im Regen und matschigen Straßen bewältigt. Die Umgegend der Krankenhäuser wurden in der letzten Woche seit dem 11. November bombardiert. Im Krankenhaus herrscht völliger Stromausfall.

Am dritten Tag in Folge schaltete sich der Hauptgenerator im Al Amal-Krankenhaus in Khan Younis ab, da kein Treibstoff vorhanden war. Das Krankenhaus hatte einen kleinen Generator in Betrieb, der dem Arbeitsraum und dem Aufnahmebereich Licht spendete. Mehr als 8.000 IDPs sind in dieser völlig überfüllten Einrichtung untergebracht.

Das MoH in Gaza erklärte, dass am 15. November 179 Leichen aus dem Shifa, die nicht herausgebracht und ordentlich erhalten werden konnten, in einem Massengrab auf dem Gelände beerdigt wurden.

Das israelische Militär hat wiederholt behauptet, bewaffnete palästinensische Gruppen unterhielten ein Militärlager in und unter dem Shifa-Krankenhaus. Das Krankenhaus-Management und das palästinensische MoH hat diese Behauptungen energisch verneint und eine unabhängige Untersuchung gefordert.

Die UNRWA hat weiterhin mit Hilfe von 124 eingesetzten Teams den IDPs in den Unterkünften Gesundheitsversorgung gewährleistet. Jedoch könnten die Treibstoffreserven der Gesundheitszentren heute eventuell aufgebraucht sein. Maßnahmen der UNRWA werden gänzlich von Solarenergie abhängig sein, die nur für einen minimalen Betrieb ausgelegt ist. Die Funktionalität der Solarenergie ist nicht gewährleistet, da jede Fehlfunktion oder das Versagen der Batterie den gesamten Betrieb zum Stillstand bringen kann.


Wasser und Sanitär (Gazastreifen)


Da kein Treibstoff mehr vorhanden war, begannen die Dienste für die Beseitigung des Festabfalls, ihren Betrieb einzustellen. Das stellte mit circa 400 Tonnen Abfall pro Tag, der sich in überfüllten Lagern und IDP-Unterkünften ansammelt, eine Gefahr für die Umwelt dar. Aufgrund des Mangels an Treibstoff haben die öffentlichen Abfallpumpstationen, 60 Wasserbrunnen im Süden, die Entsalzungsanlage im Mittleren Gebiet, die zwei Hauptabfallpumpen im Süden sowie die Abwasseraufbereitungsanlage, in den letzten zwei Tagen ihren Betrieb eingestellt. Die Meerwasser-Entsalzungsanlage in Khan Younis arbeitet mit 5 Prozent ihrer Kapazität (etwa 300 Kubikmeter pro Tag). In Verbindung mit dem Einstellen der Abfallentsorgung stellt das eine ernste Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar und erhöht das Risiko der Wasserkontaminierung und des Ausbruchs von Krankheiten.
Die Hauptquelle für Trinkwasser im Süden bilden zwei Pipelines, die aus Israel kommen und zusammen circa 1.100 Kubikmeter Wasser pro Stunde liefern. Eine Reihe privater Brunnen und Entsalzungseinrichtungen, die noch in Betrieb sind, werden in den kommenden zwei Stunden aus Mangel an Treibstoff abgestellt.

Im Norden sind die Wasserentsalzungsanlage und die israelische Pipeline außer Funktion. Eine Woche lang wurde kein abgefülltes Wasser unter den IDPs, die in den Unterkünften sind, verteilt, was große Sorgen in Bezug auf Dehydrierung und wasserbedingte Erkrankungen aufgrund des Wasserverbrauchs aus unsicheren Quellen aufwirft.


Ernährungssicherheit


Der Mangel an Lebensmitteln im Norden lässt immer mehr Besorgnis aufkommen. Seit dem 7. November waren keine Bäckereien in Betrieb wegen des Mangels aus Treibstoff, Wasser und Weizenmehl sowie der strukturellen Schäden. Weizenmehl ist auf dem Markt nicht länger verfügbar, wie berichtet wird. Die Mitglieder des Ernährungssicherheitssektors waren nicht in der Lage, im Norden Unterstützung zu erbringen, da der Zugang weitgehend gesperrt ist. Es gibt Anzeichen von negativen Bewältigungsmechanismen, darunter Weglassen oder Reduzierung von Mahlzeiten sowie unsichere und ungesunde Methoden, um Feuer zu entfachen. Die Menschen greifen Berichten zufolge auf unkonventionelles Essen zurück, wie zum Beispiel der Konsum von Mischungen aus rohen Zwiebeln und ungekochten Auberginen.


Feindseligkeiten und Opfer (Israel)


Das willkürliche Abfeuern von Raketen durch bewaffnete palästinensische Gruppen in Richtung Israels Ballungszentren ging in den letzten 24 Stunden weiter, Todesfälle wurden nicht verzeichnet. Insgesamt wurden mehr als 1.200 Israelis und Ausländer in Israel getötet, wie die Medien berichten, indem sie die israelischen Behörden zitieren, die breite Mehrheit am 7. Oktober. Am 15. November wurden die Namen von 1.162 Todesopfer in Israel veröffentlicht, darunter 859 Zivilisten und Polizeibeamte. Unter denen, deren Alter festgestellt wurde, sind 33 Kinder.

Am 14. November bestätigten israelische Quellen, dass eine Soldatin der gefangenen Soldaten getötet worden war. Hamas hatte behauptet, dass sie unter den 57 Geiseln war, die von israelischen Luftangriffen getötet wurden. Den israelischen Behörden zufolge werden 238 in Gaza gefangen gehalten, darunter Israelis und Ausländer. Einigen Medienberichten nach sind unter ihnen 30 Kinder. Bisher wurden vier zivile Geiseln von der Hamas freigelassen, und eine israelische Soldatin wurde von israelischen Streitkräften befreit. Am 15. November erneuerte der Untergeneralsekretär für Humanitäre Angelegenheiten und Koordinator der Notfallhilfe, Martin Griffiths, seine Forderung, die Geiseln ohne Bedingung freizulassen.


Gewalt und Opfer (Westbank)


Am 14. November erlag ein palästinensisches Kind den Verletzungen, die es erlitten hatte, nachdem die israelischen Streitkräfte es bei einer Durchsuchungs- und Verhaftungsoperation im Jenin-Flüchtlingslager am 29. Oktober angeschossen hatten.

Seit dem 7. Oktober wurden 183 Palästinenser, darunter 47 Kinder, von den israelischen Streitkräften getötet und weitere acht, darunter ein Kind, wurden von Siedlern im Westbank, einschließlich Ostjerusalem getötet. Drei Israelis wurden bei Angriffen von Palästinensern getötet.

Die Zahl der Palästinenser, die in der Westbank seit dem 7. Oktober getötet wurden, macht 42 Prozent aller Todesopferfälle in der Westbank in 2023 (427) aus. Circa 65 Prozent der Todesfälle seit dem 7. Oktober gab es bei Konfrontationen nach israelischen Durchsuchungs- und Verhaftungsoperationen, vor allem in den Gouvernements Jenin und Tulkarm. Etwa 26 Prozent gab es im Zusammenhang mit Demonstrationen in Solidarität mit Gaza; zwei Prozent wurden bei Siedlerangriffen gegen Palästinenser getötet, ein Prozent während strafrechtlicher Zerstörungen und die verbleibenden sechs Prozent wurden getötet, als sie tatsächlich oder angeblich israelische Streitkräfte oder Siedler angegriffen haben.
Seit dem 7.Oktober haben israelische Streitkräfte 2.655 Palästinenser verletzt, darunter mindestens 27 Kinder, über die Hälfte von ihnen im Zusammenhang mit Demonstrationen. Außerdem wurden weitere 74 Palästinenser von Siedlern verletzt. Etwa 33 Prozent dieser Verletzungen wurden von scharfer Munition verursacht.
Am 13. und 14. November rissen die Angreifer, vermutlich israelische Siedler, eine unbestätigte Anzahl palästinensischer Olivenbäume im Dorf As Sawiya (Nablus), in der Nähe der Rehelim-Siedlung aus. Die Palästinenser benötigen für den Zugang zu diesem Gebiet die Genehmigung der israelischen Behörden.

Seit dem 7. Oktober hat die OCHA 246 Siedlerangriffe gegen Palästinenser verzeichnet, was zu palästinensischen Opfern (30 Fälle), Schäden an palästinensischem Eigentum (180 Fälle), oder sowohl Opfer als auch Schäden am Eigentum (36 Fälle) führte. Das spiegelt einen Tagesdurchschnitt von mehr als sechs Fällen wider, im Vergleich zu dreien seit Beginn des Jahres. Mehr als ein Drittel dieser Fälle schlossen Bedrohungen mit Schusswaffen und auch Schießereien ein. In fast der Hälfte aller Vorfälle haben die israelischen Streitkräfte entweder die Angreifer begleitet, oder sogar aktiv unterstützt.

Vertreibung (Westbank)

Keine neuen Vertreibungen wurden in den letzten 24 Stunden verzeichnet. Seit dem 7. Oktober wurden 121 palästinensische Haushalte, die aus 1.140 Personen bestanden, darunter 452 Kinder, inmitten von Siedlergewalt und Zugangsrestriktionen vertrieben. Die vertriebenen Haushalte stammen aus 15 Hirten-/Beduinengemeinden.

Außerdem wurden seit dem 7. Oktober 48 Palästinenser, darunter 24 Kinder, aufgrund strafrechtlicher Zerstörungen vertrieben und weitere 135 Palästinenser, darunter 66 Kinder, nach Zerstörungen in Zone C und Ostjerusalem aufgrund fehlender Genehmigungen.

Finanzierung


Am 15. November haben die Mitgliedstaaten 132,1 Millionen US-Dollar im Rahmen des aktualisierten Blitzaufrufs der UN und ihrer Partner ausgezahlt, um ihren Reaktionsplan zur Unterstützung von 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen und 500.000 im Westjordanland umzusetzen. Das sind nur circa 11 Prozent der erforderlichen 1,2 Milliarden US-Dollar. Weitere 250 Millionen US-Dollar wurden zugesagt, die, falls sie ausgezahlt werden, das Finanzierungsniveau des Blitzaufrufs auf 32 Prozent erhöhen würden.

Private Spenden werden durch den Humanitären Fonds gesammelt.              Quelle              (übersetzt von Inga Gelsdorf)

Um das Video zu sehen, auf das Bild klicken

VIDEO - Feindseligkeiten im Gazastreifen und Israel

mit Prof. Moshe Zuckermann

Flash Update #40

17.11.2023

Soeben haben wir ein weiteres Video mit Prof. Moshe Zuckermann ins Netz gestellt. Wir setzen dort unser vor knapp zwei Wochen geführtes Gespräch fort. Dieses hat es inzwischen auf mehr als 100.000 Aufrufe und eine Menge an Kommentaren und auch "likes" gebracht. Herzlichen Dank. Wir werden uns weiter bemühen, Videos zu wichtigen und aktuellen Themen zu veröffentlichen.

Bei dem seinerzeitigen Gespräch wurden auch zahlreiche Fragen gestellt. Wir haben uns diese genau angesehen und versuchen nun, in dem aktuellen Gespräch darauf zu antworten bzw. weitere Informationen zu geben.

Ich möchte möchte vor allem zwei behandelte Themen hervorstreichen: Zu den immer wieder hinterfragten Beziehungen Israels zu den USA, ist die Antwort Zuckermanns ganz einfach: "Ohne die USA ist Israel nichts!". Trotz der zuletzt von Ministerpräsident Netanjahu immer wieder gemachten Äußerungen, wonach er über Waffenstillstände etc. entscheide, so ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass ohne die politische, finanzielle und militärische Unterstützung seitens der USA Israel nicht überlebensfähig wäre.

Aufgrund einiger Fragen bezüglich der Situation in der Westbank verweist Zuckermann auf die Tatsache, dass seit dem 7.10. alleine in der Westbank über 200 Palästinenser*innen getötet worden sind. Dafür waren nicht nur die israelische Armee und Polizeit sondern auch die immer gewalttätigen Siedler, deren Zahl inzwischen auf 700.000 angewachsen ist, verantwortlich. Sollte diese Entwicklung weiter anhalten, so sieht er die Gefar einer neuen Intifada, die sich in erster Linie in der Westbank und in O-Jerusalem abspielen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich auch einen Kommentar von Gideon Levy in der gestrigen Ausgabe von Haaretz verweisen, siehe unten.

Alles in allem wieder ein höchst interessantes Gespräch, das - so hoffe ich - nicht nur einige der Fragen des vorigen Videos beantwortet, sondern auch wichtige neue Aspekte behandelt. Wir sind jedenfalls bereit, diesen begonnenen interaktiven Dialog weiter zu führen und freuen uns bereits auf weitere Fragen und Stellungnahmen.  Quelle


 

Israels nächste Überraschung kommt aus dem Westjordanland

Gideon Levy -  Nov 16, 2023

Die nächste Überraschung wird nicht überraschend kommen. Sie mag weniger tödlich sein als die vorherige, die vom 7. Oktober, aber ihr Preis wird hoch sein. Wenn sie über uns hereinbricht und uns durch die Brutalität des Feindes betäubt zurücklässt, wird niemand behaupten können, er habe nicht gewusst, dass sie kommen würde.

Das Militär wird diese Behauptung nicht aufstellen können, weil es ständig davor gewarnt hat - aber keinen Finger gerührt hat, um es zu verhindern. Die Verantwortung der israelischen Verteidigungskräfte wird also genauso groß sein wie bei dem Massaker im Süden und nicht weniger groß als die der Siedler und der Politiker, die sie angeblich am Handeln hindern.

Der nächste Dampfkochtopf, der uns um die Ohren fliegen wird, kocht im Westjordanland. Die IDF weiß das; ihre Kommandeure hören nicht auf, davor zu warnen. Es sind heuchlerische, scheinheilige Warnungen, die dazu dienen, den Rücken des Militärs zu
decken. Die Warnungen sind schamlos, denn die IDF schüren mit ihren eigenen Händen und Soldaten die Flammen nicht weniger als die Siedler.

Die Behauptung, dass wir nur wegen der Siedler an einer anderen Front kämpfen könnten, ist unaufrichtig und verlogen. Wenn die IDF gewollt hätte, hätte sie sofort handeln können, um die Spannungen zu beruhigen. Wenn sie gewollt hätte, wäre sie gegen die Siedler vorgegangen, so wie ein normales Militär gegen lokale Milizen und bewaffnete Gruppen vorgehen muss.

Zu Israels Feinden im Westjordanland gehören die Siedler, und die IDF tut nichts, um sie zu stoppen. Ihre Soldaten nehmen aktiv an Pogromen teil, misshandeln die Bewohner auf schändliche Weise, fotografieren und demütigen sie, töten und verhaften sie, zerstören Gedenkstätten, wie die für Jassir Arafat in Tulkarm, und reißen Tausende von Menschen aus ihren Betten. All das gießt Öl ins Feuer und lässt die Spannungen eskalieren.

Rachsüchtige Soldaten, die neidisch auf ihre Landsleute im Gazastreifen sind, treiben in den besetzten Gebieten ihr Unwesen und haben den Finger leicht und enthusiastisch am Abzug. Seit Beginn des Krieges sind dort fast 200 Palästinenser getötet worden, und niemand hält sie davon ab. Kein regionaler Kommandeur, kein Divisionskommandeur und kein Feldkommandeur stoppt den Amoklauf. Sie müssen das auch wollen, denn es ist schwer zu glauben, dass auch sie von der Angst vor den Siedlern gelähmt sind. Immerhin gelten sie als mutig.


Die Siedler sind ekstatisch. Der Geruch von Blut und Zerstörung, der aus dem Gazastreifen aufsteigt, spornt sie an, sich auszutoben wie nie zuvor. Es gibt keinen Grund mehr für Märchen über einsame Wölfe oder bösen Samen. Das Siedlungsunternehmen mit seinem Heer von politischen Funktionären und Geldgebern kämpft nicht gegen die Pogrome, die von ihm ausgehen. Der Krieg ist ihr Zahltag, ihre große Chance. Unter dem Deckmantel des Krieges und der Brutalität der Hamas haben sie die Gelegenheit ergriffen, so viele Palästinenser wie möglich aus ihren Dörfern zu vertreiben - vor allem aus den ärmeren, kleineren-, um der großen Vertreibung zuvorzukommen, die nach dem nächsten Krieg oder dem übernächsten kommen wird.

Ich habe diese Woche das Niemandsland in den südlichen Hebron-Hügeln besucht. So hat es noch nie ausgesehen. Jeder Siedler ist jetzt Mitglied eines "Sicherheitsteams". Jedes "Sicherheitsteam" ist eine bewaffnete, brutale Miliz mit der Lizenz, Viehhirten und Bauern zu misshandeln und zu vertreiben.

Sechzehn Dörfer im Westjordanland sind bereits aufgegeben worden, und die Vertreibung geht mit Hochdruck weiter. Die IDF existiert im Grunde nicht. Israel, das sich nie dafür interessierte, was im Westjordanland geschieht, wird nun sicherlich nichts mehr davon hören. Die internationalen Medien sind sehr interessiert; sie wissen, wohin die Reise geht.

Dahinter steckt dieselbe israelische Arroganz, die die Überraschung vom 7. Oktober ermöglichte. Das Leben der Palästinenser wird als Schund betrachtet. Die Beschäftigung mit ihrem Schicksal und der Besatzung wird als zwanghaftes Ärgernis betrachtet. Die vorherrschende Vorstellung ist, dass sich die Sterne schon irgendwie ausrichten werden, wenn wir sie ignorieren.

Was im Westjordanland geschieht, spiegelt einen unglaublichen Zustand wider. Auch nach dem 7. Oktober hat Israel nichts gelernt. Wenn die gegenwärtige Katastrophe im Süden nach Jahren der Belagerung, der Verleugnung und der Gleichgültigkeit über uns hereinbrach, so wird die nächste Katastrophe eintreten, weil Israel es versäumt hat, die Warnungen, Drohungen und den Ernst der Lage ernst zu nehmen.

Das Westjordanland stöhnt vor Schmerz, und niemand in Israel hört auf seine Hilferufe. Die Siedler treiben ihr Unwesen, und niemand in Israel versucht, sie zu stoppen. Wie viel können die Palästinenser noch ertragen? Israel wird für alles, was passiert, die Rechnung bezahlen müssen. Es wird kalt oder heiß sein, aber in jedem Fall sehr blutig.   Quelle


 

Israels Krieg gegen die Hamas
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"Der Nahost-Konflikt muss an der Wurzel gelöst werden“

Interview von Inge Günther mit Sari Nusseibeh -  13.11.2023

Ein Gespräch mit dem prominenten Palästinenser Sari Nusseibeh über die Massaker der Hamas, Israels Krieg in Gaza und den in die Ferne gerückten Traum von gleichberechtigter Koexistenz.

Herr Nusseibeh, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Ausmaß des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober realisiert haben? Als klar wurde, dass die Hamas Massaker an israelischen Zivilisten in nicht dagewesener Dimension begangen hat?

Sari Nusseibeh: Die Nachrichten über Massaker trafen erst verspätet ein. Am Anfang war zunächst nur von einem völlig überraschenden, mehrfachen Durchbruch durch den Hightech-Zaun um Gaza die Rede und von konzertierten Angriffen auf militärische Ziele. Es schien mir unglaublich, dass die Hamas die Fähigkeiten und den Mut dazu besaß. Erst in den folgenden Tagen begannen wir, die andere Seite zu sehen und das Ausmaß an zivilen Opfern zu begreifen. Es ist für mich immer noch nicht ganz klar, was genau vor sich ging. Aber die Bilder waren entsetzlich genug, um zu erkennen, dass hier ein großes moralisches Versagen vorliegt.

Viele Menschen in Israel und Palästina fühlen sich seitdem wie in einem Alptraum. Sie auch?

Nusseibeh: Offen gestanden befinde ich mich in einem Zustand der totalen Verwirrung. Die Zukunft schaut noch düsterer aus als die Gegenwart.

"Es gibt jetzt so viel Hass"

Sie sind seit Jahrzehnten bekannt als ein Anwalt für Frieden auf palästinensischer Seite. In einem Gastbeitrag für die englische Financial Times haben Sie geschrieben: "Unser Traum einer Zukunft für beide Völker ist das Opfer dieser Tragödie.“ Sind jetzt alle Hoffnungen zerbrochen?


Nusseibeh: Es gibt jetzt so viel Hass auf beiden Seiten. Es fällt mir schwer zu sehen, wie der Traum von einer gleichberechtigten Koexistenz in absehbarer Zeit realisiert werden kann. Aber ich nehme an, dass wir zusammen positive Schlüsse ziehen können. Alles ist möglich. Natürlich lassen sich Interimsarrangements finden oder die internationale Gemeinschaft könnte sie erzwingen.

Aber ich bin mir nicht sicher, ob solche Arrangements die eigentliche Frage angehen würden. Im Kern geht es um eine israelisch-palästinensische Angelegenheit, denn wirklicher Frieden kann nur erreicht werden, wenn jede Seite bereit ist, die andere voll zu akzeptieren, anzuerkennen und zu respektieren. Davon sind wir derzeit weit entfernt.   mehr >>>


 

Andere Sicht auf Gaza-Krieg
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Globaler Süden übt Kritik an Israel

13.11.2023

Der Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel und der Krieg im Gazastreifen haben die Welt tief gespalten. Vor allem im globalen Süden wird der Konflikt deutlich anders bewertet als in den Regierungszentralen von Washington, Berlin oder London. Aufgrund ihrer eigenen Geschichte sehen viele Menschen in Afrika und Lateinamerika die Ereignisse durch eine postkoloniale Brille: Für sie sind die Palästinenser vor allem Opfer der israelischen Besatzungspolitik.

«Viele Entwicklungsländer sehen in der Haltung des Westens in der Israel-Palästina-Frage den Beweis dafür, dass er internationale Regeln und Normen selektiv anwendet - je nach geopolitischen Interessen und nicht auf universelle Weise», schreibt der deutsch-brasilianische Politikwissenschaftler Oliver Stuenkel in der Fachzeitschrift «Foreign Policy».

Viele afrikanische Staaten haben das israelische Bombardement des Gazastreifens als Reaktion auf die Angriffe der Hamas verurteilt. Besonders in überwiegend muslimischen Ländern herrscht große Solidarität mit den Palästinensern. Neben einigen Statements, die ausdrücklich von Israel als «Unterdrücker» sprechen, fordern viele Regierungen ein Ende der Gewalt gegen Zivilisten und die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung. Die Afrikanische Union hatte «die Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes» als «Hauptgrund» des Konflikts bezeichnet.   mehr >>>


 

Der Krieg zwischen Israel und Hamas aus der Sicht von Al-Jazeera: dem fast einzigen Fenster zur Welt der Palästinenser in Gaza

Die Journalisten des katarischen Mediums, das zu seiner propalästinensischen Linie steht, sind praktisch die einzigen Vertreter der internationalen Presse in der belagerten palästinensischen Enklave

Madjid Zerrouky Le Monde - 17-11-2023


Ein Fernseher, der an den Kanal Al-Jazeera (arabische Version) angeschlossen ist, im Büro des Palästinensischen Roten Halbmonds in Qaryut, Westjordanland, am 11. November 2023.

Atemlos und verängstigt läuft der palästinensische Journalist Mustafa Sarsour im Laufschritt durch den Hof des Al-Shifa-Krankenhauses, im Zickzack unter Beschuss, während das Objektiv seiner Kamera den Tod fixiert. In der Nähe der Zelte, in denen sich noch vor wenigen Stunden Tausende von Flüchtlingen drängten, lagen am Morgen des 15. Novembers in Decken gewickelte Leichen. Er schreit: "Verwundet oder Märtyrer?", als er den Weg eines Mannes kreuzt, der mit einer kleinen Figur mit verrenktem Körper zum Eingang läuft. "Märtyrer! Gott segne ihn!"

Das Bild, das am Mittwochmorgen auf Al-Jazeera ausgestrahlt wurde, wechselt plötzlich ins Innere des Krankenhauses. Diesmal ist es medizinisches Personal, das filmt. Säuglinge, die aus den Brutkästen der Neugeborenenstation geholt wurden, weil es keinen Strom gab, werden im Halbdunkel in die Notaufnahme gebracht und dann in einem Bett aneinandergereiht ausgestreckt. " Damit sie ihre Temperatur halten. Einer von ihnen ist heute Morgen gestorben", sagte eine anonyme Stimme.

In Doha, Katar, hatte Salma Al-Jamal, die Moderatorin der Morgensendung, ihren Beitrag kommentarlos aus dem Studio heraus gestartet: "Al-Jazeera hat sich Bilder von der Umgebung und dem Inneren des Krankenhauses verschafft, das von israelischen Streitkräften umstellt ist."

Seit dem 7. Oktober taucht der katarische Sender, der als einer der wenigen internationalen Medien ununterbrochen im Gazastreifen präsent ist, seine zig Millionen arabischsprachigen Zuschauer täglich in die Hölle und das Elend des palästinensischen Gebiets ein, indem er sie unter Beschuss von Stadtteil zu Flüchtlingslager nach Maßgabe der israelischen Bombenangriffe bewegt. Ohne Filter filmen seine Kameras die eingestürzten Gebäude, die unter den Trümmern eingeklemmten, manchmal verkohlten Körper, die Herzmassage in den Krankenwagen, die Schreie und Tränen der Angehörigen der Opfer.

"Die Armee der Besatzer"

Die Reporter des Senders halten sich nicht zurück: "Hat man jemals gesehen, dass eine Armee die Leichen von Menschen bestiehlt, die sie ermordet hat?", heißt es in einer live-Schaltung am 16. November, wenige Stunden nachdem die israelischen Streitkräfte das Al-Shifa-Krankenhaus gestürmt und die Opfer entfernt hatten, die in der Nähe lagen.

Die propalästinensische Parteilichkeit zeigt sich bis in die Wortwahl: Die Opfer der Bombardierungen sind "Märtyrer", die israelische Armee wird als "Armee der Besatzer" bezeichnet, während die bewaffneten palästinensischen Gruppierungen unterschiedslos als "Widerstandsgruppen" bezeichnet werden. Die englischsprachige Version des Senders vertritt die gleiche Linie, wenn auch in einem gemäßigteren Ton.

Al-Jazeera setzt beträchtliche Mittel im Gazastreifen ein und ist mit einem halben Dutzend Reportern, die das Gebiet durchkämmen und durch Journalisten lokaler Medien verstärkt werden, das fast einzige Fenster zur Außenwelt für die Palästinenser und die lokalen Akteure. Der 1996 gegründete Sender hat sich seit der Zweiten Intifada (2000-2005) stark in den palästinensischen Gebieten etabliert.
Einwohner, Rettungskräfte, NGOs oder Mitglieder der UNO haben dort offene Antennen. Aber auch die Hamas wird von dem Sender nie kritisiert - im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Al-Arabiya, einem saudi-arabischen Nachrichtensender, der 2003 von Riad ins Leben gerufen wurde, um dem Sender entgegenzuwirken. So werden dort die Kommuniqués von Abu Obeida, dem Sprecher des bewaffneten Arms der islamistischen Gruppe, in voller Länge ausgestrahlt. Die der israelischen Armee ebenfalls, entgegnet der Sender regelmäßig.

Die Kontroverse um die Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus am 17. Oktober, bei der laut US-Geheimdienstquellen zwischen 100 und 300 Menschen ums Leben gekommen sein sollen - die israelische Armee und die Hamas machten sich gegenseitig für den Abschuss verantwortlich -, hat den Einfluss von Al-Jazeera deutlich gemacht. Eine seiner Kameras, die ständig auf den Himmel und die Dächer des Gazastreifens gerichtet ist, filmte das Ereignis, bevor einer seiner Reporter an den Ort des Geschehens eilte. Die israelische Armee stützte sich sogar auf diese Bilder, die in der gesamten arabischen Welt Proteste auslösten, und beschuldigte den Islamischen Dschihad, den Schuss abgegeben zu haben.

Drohungen mit Schließung

Die israelische Regierung verspricht regelmäßig, Al-Jazeera zum Schweigen zu bringen, indem sie dem Sender den Zugang zu den palästinensischen Gebieten verweigert. Bereits im August 2017 hatte sie angekündigt, die in Ostjerusalem gelegenen Büros des Senders schließen zu wollen. Für Benjamin Netanjahu und seinen damaligen Kommunikationsminister Ayub Kara stellte der Sender nicht mehr und nicht weniger als "das Hauptwerkzeug von Daesch(IS), Hamas, Hisbollah und Iran" dar.

"Das sind Aufrufe zum Mord. Sie versuchen nicht, Al-Jazeera zum Schweigen zu bringen, sondern Journalisten zum Schweigen zu bringen, indem sie sie töten. Seit der Ermordung von Shireen Abou Akleh nehmen der Druck und die Drohungen, einschließlich der physischen Drohungen - die live auf Sendung ausgesprochen werden - zu, auch im Westjordanland", beschuldigt Rawaa Augé, Moderatorin und Produzentin des Programms "Women Voices" auf dem katarischen Sender. Die Journalistin zitiert insbesondere den Fall von Givara Budeiri, die am 5. Juni 2021 im Jerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah von der israelischen Polizei aufgegriffen und live geschlagen wurde.

Im Mai 2022 töteten die israelischen Streitkräfte Shireen Abou Akleh, die Starreporterin des Senders, als sie über eine Razzia der Armee in Jenin im Westjordanland berichtete. Am 25. Oktober 2013 starb die Familie des Leiters des Büros in der Gaza-Enklave, Wael Al-Dahdouh, bei einem Bombenangriff. Das Bild des Journalisten, der sich noch in seiner kugelsicheren Weste mit dem Aufdruck "Presse" über den Körper seines Sohnes beugt, sein totes Mädchen in den Armen hält und ausruft: "Sie rächen sich an unseren Kindern?", löst in der Region eine Welle der Wut und des Mitgefühls aus.

Die israelischen Anschuldigungen schockieren Rawaa Augé ebenso wie deren Übernahme durch die westlichen Medien: "Das trägt dazu bei, immer wieder Zweifel an der Professionalität meiner Kollegen zu verbreiten, die in einem Umfeld arbeiten, das der Pressefreiheit und der Würde der Palästinenser sehr feindlich gegenübersteht." "Wenn Sie sich nicht für den Kern des Problems interessieren, werden Sie nicht verstehen können, dass der Kampf der Palästinenser weit über Gaza hinausgeht. Es geht darum, den Wert des Lebens der ‘ehemaligen Kolonisierten‘ auf die gleiche Stufe zu stellen wie den Wert des Lebens der ‘ehemaligen Siedler‘ ", schloss sie. Für die Journalisten von Al Jazeera ist es das alternative Narrativ, das der Sender trägt, das ihn für seine Kritiker unerträglich macht. In Israel und anderswo.

Die israelische Armee greift dort ein

Die Drohung, die Büros zu schließen, wird zwar bei jeder neuen Krise von den israelischen Behörden ausgesprochen, aber noch nicht in die Tat umgesetzt. Diese Vorsicht gehorcht dem Balanceakt, den der jüdische Staat mit Doha, dem Eigentümer des Senders und gleichzeitig traditionellen Vermittler zwischen Israel und den palästinensischen Fraktionen, einschließlich der Hamas, vollzieht. Die israelische Armee zögert selbst nicht, in die Sendung einzugreifen, wenn sie eine Botschaft zu übermitteln hat. Oberstleutnant Avichay Adraee, der Sprecher der israelischen Armee in arabischer Sprache, ist im Laufe der Jahre zu einer vertrauten Figur für die Fernsehzuschauer geworden, da er sich mit den Journalisten von Al-Jazeera so gut versteht, dass einige ihn beim Vornamen nennen.

Am Abend des 7. Oktober fasste sein angespannter Austausch mit dem ägyptischen Moderator Ahmad Taha den Stand der Beziehungen zwischen den beiden Parteien zusammen. An diesem Morgen hatte die Hamas in einem Gewaltausbruch mehrere Orte im Süden Israels angegriffen und 1200 Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Als der Journalist das zwanzigminütige Gespräch beenden wollte, sagte er: "Avichay, erlauben Sie mir eine persönliche Frage: Fühlen Sie sich nach dem, was gerade passiert ist, besiegt oder gedemütigt?"

"Sie können all Ihre militärische und mediale Energie mobilisieren, Sie werden unseren Willen nicht brechen", entgegnet der Soldat. "Hören Sie auf damit, ich bin weder ein Führer des Widerstands noch Teil davon!", antwortet Ahmad Taha.

Am Freitag, dem 17. November, wurde die morgendliche live-Übertragung mit neuen Kriegsbildern eröffnet, wobei der Bildschirm in vier Teile geteilt war: Gaza-Stadt im Rauch; Khan Younis und das Flüchtlingslager Nusseirat im Süden des Gebiets. Aus Tel Aviv berichtete der Korrespondent des Senders, Elyas Karam, dass die israelische Armee hoffe, Gaza-Stadt "innerhalb von zwei Tagen" zu kontrollieren.   QUELLE



Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu spricht mit Finanzminister Bezalel Smotrich in Jerusalem, am 25. Juni 2023

Israelische Minister empört über "begrenzte" Treibstofflieferungen nach Gaza

Die Opposition kommt, obwohl die UNO sagt, der Mangel an Treibstoff gefährde "die gesamte Architektur der humanitären Hilfe" in Gaza, da rohes Abwasser in die Straßen fließe


Aina J Khan - 17 November 2023 - Übersetzt mit DeepL


Das Kriegskabinett der israelischen Regierung hat die Entscheidung getroffen, täglich zwei Treibstofftransporte in den Gazastreifen zuzulassen, um den Bedarf der Vereinten Nationen zu decken, sagte ein anonymer israelischer Beamter am Freitag laut Reuters.

Der Beamte sagte, die Entscheidung sei vom Kriegskabinett - bestehend aus Premierminister Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant, Minister Benny Gantz und mehreren Beobachtern - auf Antrag der US-Regierung getroffen worden.

Die Zulassung des Treibstoffs verschafft Israel zusätzlichen "Handlungsspielraum auf der internationalen Bühne, damit es seine Kampagne zur Auslöschung der Hamas im Gazastreifen fortsetzen kann", so Reuters unter Berufung auf den Beamten.

Der zugelassene Treibstoff wird Pandemien verhindern, indem er eine "minimale" Unterstützung für Wasser-, Abwasser- und Sanitärsysteme im Gazastreifen bietet, sagte der Beamte.

Obwohl der Mangel an Treibstoff nach Angaben des Leiters des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA "die gesamte Architektur der humanitären Hilfe" in Gaza gefährdet, wo rohes Abwasser in die Straßen fließt, löste die Entscheidung bei mehreren hochrangigen israelischen Politikern Empörung aus.


Finanzminister Bezalel Smotrich, der der Partei des religiösen Zionismus angehört und kürzlich Vorschläge von Knesset-Mitgliedern unterstützte, wonach "Länder der Welt" einen Zustrom von palästinensischen Flüchtlingen aus dem Gazastreifen aufnehmen sollten, verurteilte die Entscheidung und bezeichnete sie als "Skandal".


"Es ist eine Entscheidung, die den IDF-Soldaten, den Entführten und ihren Hinterbliebenen ins Gesicht spuckt", sagte Smotrich in einem an Netanjahu gerichteten Brief, den er am Freitag auf seinem Facebook-Account veröffentlichte.

"Es verstößt auch gegen die Entscheidung des Sicherheitskabinetts und ist daher illegal. So gewinnt man keinen Krieg, so rottet man die Hamas nicht aus, und so geben wir das Gestohlene nicht zurück", fuhr er fort.

Smotrich forderte nach der Entscheidung auch eine Änderung der Zusammensetzung des Kriegskabinetts.

"Ich fordere, dass das Kriegskabinett anders zusammengesetzt wird und dass ein Vertreter jeder Partei, die der Koalition beigetreten ist, darin vertreten ist."

Humanitäre Geschenke
Der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, kritisierte ebenfalls die Entscheidung des Kriegskabinetts, kleine Mengen Treibstoff nach Gaza zuzulassen.

"Solange unsere Entführten nicht einmal einen Besuch beim Roten Kreuz bekommen, macht es keinen Sinn, dem Feind 'humanitäre Geschenke' zu machen", sagte Ben-Gvir am Freitag in einem Posting auf Facebook und bezog sich dabei auf die über 200 von der Hamas gefangen genommenen Israelis.

"Es ist ein Finger im Auge für die IDF-Soldaten, die trauernden Familien und die Familien der Vermissten und Entführten", fuhr er fort.

Avigdor Liberman, der Vorsitzende der Oppositionspartei Jisrael Beytenu, teilte seine Kritik an der Entscheidung ebenfalls auf X (früher Twitter).

"Hört auf, die Nazis von der Hamas zu befeuern! Die Erklärungen, dass 'kein Tropfen Treibstoff' in den Gazastreifen gelangen würde, haben sich in die tatsächliche Einführung von Zehntausenden von Litern Treibstoff verwandelt, und zwar einseitig und ohne irgendeine humanitäre Geste für unsere Entführten", schrieb er am Freitag. "Ich fordere die sofortige Beendigung dieser Gesetzlosigkeit".

Israels Verkehrsministerin Miri Regev forderte Israels Nationalen Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi auf, "unverzüglich das Sicherheitskabinett einzuberufen", so Haaretz.

Nach den Anschlägen vom 7. Oktober, bei denen Hamas-Kämpfer im Süden Israels mehr als 1.200 Menschen töteten, wurde Israel bei seinen Vergeltungsmaßnahmen von den USA unterstützt.

Die USA bestätigten auch Israels Behauptung, dass die Hamas das Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt als Kommandohauptquartier genutzt hat, eine Behauptung, die sie am Donnerstag noch einmal bekräftigten.

"Wir haben unsere eigenen Geheimdienstinformationen, die uns davon überzeugen, dass die Hamas al-Shifa als Kommando- und Kontrollzentrum und höchstwahrscheinlich auch als Lager benutzt hat", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, auf Fragen von Reportern zu den begrenzten Beweisen, die Israel zur Untermauerung seiner Behauptung vorgelegt hat, dass die Hamas al-Shifa als Kommandozentrale benutzt hat.

Die Beziehungen zwischen den beiden Verbündeten sind jedoch privat unter Druck geraten, nachdem über 11.000 Palästinenser bei israelischen Bombardierungen im Gazastreifen getötet wurden, darunter nach Angaben des Gesundheitsministeriums über 4.000 Kinder.   Quelle

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant besuchen einen Armeestützpunkt in der Nähe der besetzten Stadt Dschenin im Westjordanland, 4. Juli 2023. (Shir Torem/Flash90)

Netanjahu verlängert den Krieg, um seine Lebensaufgabe zu retten

Während eine endlose Militäroperation dem Premierminister erlaubt, sich an die Macht zu klammern, erfüllt sie auch ein größeres ideologisches Ziel: die Verhinderung eines palästinensischen Staates.


Meron Rapoport - 17. November 2023 - Übersetzt mit DeepL

Premierminister Benjamin Netanjahu hat mehr als einen Monat gebraucht, um der israelischen Öffentlichkeit eine Art Exit-Strategie für den Krieg zu präsentieren, den Israel seit dem 7. Oktober gegen die Palästinenser im Gazastreifen führt. Der Krieg werde enden, sagte er auf einer Pressekonferenz am 11. November, "nachdem die Hamas eliminiert worden ist. Der Gazastreifen wird entmilitarisiert sein und keine Bedrohung mehr für den Staat Israel darstellen. Die IDF werden weiterhin die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen ausüben, um Terror zu verhindern."

Er fuhr fort: "Überall dort, wo es keine israelische Sicherheitskontrolle gibt, kehrt der Terror zurück, verschanzt sich und schadet uns. Das hat sich auch in Judäa und Samaria [dem Westjordanland] gezeigt. Deshalb werde ich unter keinen Umständen zustimmen, die Sicherheitskontrolle aufzugeben."

Auf die Frage, ob die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wieder die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen könnte, antwortete Netanjahu: "Es wird keine zivile Behörde geben, die ihre Kinder dazu erzieht, Israel zu hassen oder Israelis zu töten. Es kann keine Behörde geben, die Geld an die Familien von Mördern zahlt. Es kann keine Behörde geben, deren Führer das Massaker noch immer nicht verurteilt hat. Es wird etwas anderes geben müssen - aber auf jeden Fall mit unserer Sicherheitskontrolle".

Aus diesen Äußerungen lassen sich einige Dinge ableiten. Der erste ist, dass Netanjahu einen sehr langen - vielleicht sogar endlosen - Krieg anstrebt. Die israelische Armee könnte tatsächlich durch den Gazastreifen vorrücken, alle Bewohner aus den eroberten Gebieten zwangsumsiedeln und diese Gebiete bis auf die Grundmauern zerstören.

Aber selbst wenn die Armee die nördlichen Städte und Flüchtlingslager des Gazastreifens in Geisterstädte verwandelt, sprechen wir immer noch nur von den "oberen Städten". Niemand, außer vielleicht die Hamas-Befehlshaber, weiß, wie viele palästinensische Kämpfer sich in den Tunneln unter der Oberfläche aufhalten; wie viele von ihnen sich dort noch aufhalten werden, wenn die Besetzung abgeschlossen ist; wie viele durch die Tunnel in den Süden des Streifens ziehen werden; und wie viele sich bereits in dieser Region befinden.

Israel geht davon aus, dass sich die meisten der am 7. Oktober entführten israelischen Geiseln derzeit im Süden des Gazastreifens aufhalten. Das bedeutet, dass nach der vollständigen Vertreibung der Bevölkerung des nördlichen Gazastreifens mehr als 2 Millionen Palästinenser in der Hälfte des Streifens konzentriert sein werden, zusammen mit dem Großteil der militärischen Macht der Hamas und vielleicht dem größten Teil ihrer Führung. Mit anderen Worten: Die von Netanjahu versprochene "Eliminierung der Hamas" und Entmilitarisierung des Streifens wird eine Mammutaufgabe sein.

Und was wird Israel mit den 2 Millionen Palästinensern tun, die sich dann im Süden befinden und die es bereits aus bestimmten Gebieten evakuieren lässt? Ein Versuch, sie auf die Sinai-Halbinsel zu drängen, dürfte die Beziehungen Israels zu Ägypten erheblich verschlechtern und Ägypten vielleicht sogar in den Krieg hineinziehen.

Eine Wiederholung der Aggression, die Israel im Nordstreifen geführt hat, wird wahrscheinlich mit Tausenden von Toten pro Tag enden, da die Bevölkerungsdichte doppelt so hoch sein wird. Die derzeitige humanitäre Katastrophe wird wahrscheinlich biblische Ausmaße annehmen. Angesichts einer solchen Krise ist es schwer vorstellbar, dass die westliche Welt und die arabischen Staaten, die Beziehungen zu Israel unterhalten - Ägypten, Jordanien und die Unterzeichner des Abraham-Abkommens - schweigen, ganz zu schweigen von der Hisbollah, den Houthis im Jemen und vielleicht auch den schiitischen Milizen im Irak.

 

Die Kommandozentrale der Hamas wurde entdeckt.
 

Quelle
 

Was die Beendigung des Krieges jedoch fast unmöglich macht, ist Netanjahus Bedingung, dass die israelischen Streitkräfte im gesamten Gazastreifen frei agieren können, so wie sie es im Westjordanland und bis 2005 auch im Gazastreifen taten. Kein internationales, arabisches oder lokales Gremium wird bereit sein, in einem dezimierten Gazastreifen die zivile Verwaltung zu übernehmen - deren Betrieb massive Anstrengungen und Investitionen erfordern würde - als Subunternehmer einer israelischen Besatzungsarmee. Und Netanjahu hat die Palästinensische Autonomiebehörde bereits ausgeschlossen, obwohl diese diese Aufgabe im Westjordanland drei Jahrzehnte lang zuvorkommend erfüllte.

Nicht umsonst hat die US-Regierung gleich zu Beginn des Krieges erklärt, dass Israel den Gazastreifen nach dessen Ende nicht kontrollieren wird. Ohne die Beteiligung der USA ist es kaum möglich, eine Vereinbarung zur Beendigung des israelischen Angriffs zu erreichen.

Wenn Netanjahu ernsthaft beabsichtigt, auf dieser Bedingung zu bestehen, dann kann man nur vermuten, dass er beschlossen hat, auf eine Exit-Strategie zu verzichten. Denn im Westjordanland, das Netanjahu als Vorbild präsentiert, ist es Israel auch nach 56 Jahren nicht gelungen, die palästinensische Bevölkerung vollständig zu unterwerfen. Vor dem 7. Oktober waren mehr als 30 Bataillone in den besetzten Gebieten im Einsatz, und sie stießen immer noch auf Widerstand. Wie viel Feuerkraft wird Israel benötigen, um jeglichen Widerstand in Gaza auszuschalten?

Netanjahus Bedingungen machen auch ein Abkommen zur Freilassung der israelischen Geiseln fast unmöglich. Welchen Anreiz hat die Hamas, eine Einigung zu erzielen, wenn die ihr auferlegten Bedingungen ihre vollständige Beseitigung und die vollständige Kontrolle des Gazastreifens durch Israel beinhalten?

Ein gefährdetes Erbe

Der Premierminister ist sich natürlich der Tatsache bewusst, dass der einzige Weg zur Beendigung des Krieges und zur Befreiung des Gazastreifens von der Hamas-Herrschaft eine Art internationaler Prozess ist, den er zugunsten der Fortsetzung des Angriffs der Armee ablehnt. Aber nicht alle im israelischen Kriegskabinett fordern die gleichen Bedingungen: Benny Gantz, der kürzlich zum Minister ohne Geschäftsbereich ernannt wurde, sprach nicht von einer fortgesetzten israelischen Militärkontrolle im Streifen, sondern von einem "Regimewechsel". Was steckt also wirklich hinter Netanjahus erklärter Agenda?

Eine zynische Analyse - und es gibt keinen Grund, nicht zynisch zu sein, wenn es um Netanjahu geht - würde nahe legen, dass der Premierminister den Krieg verlängern will, weil er weiß oder zumindest vermutet, dass an dem Tag, an dem der Krieg endet, der Countdown für das Ende seiner Herrschaft beginnt. Netanjahu mag erwartet haben, dass ein massiver Angriff auf den Gazastreifen sein politisches Ansehen in der israelischen Öffentlichkeit verbessern würde, aber das genaue Gegenteil ist eingetreten.

Es ist nicht das erste Mal in der israelischen Geschichte, dass so etwas passiert: Menachem Begin wurde ein Jahr nach dem Libanonkrieg 1982 zum Rücktritt gezwungen, und Ehud Olmert wurde zum großen Teil wegen des Libanonkriegs 2006 abgesetzt.

Mit seinem Einspruch gegen die Wiedereinführung der PA-Herrschaft im Gazastreifen kehrt Netanjahu jedoch zu der Position zurück, von der aus er seine Karriere als israelischer Premierminister begann. Nachdem er 1996 die Wahl nach der Ermordung des damaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gewonnen hatte, spielte Netanjahu eine zentrale Rolle bei der Rückabwicklung des Osloer Friedensprozesses und der Abwehr der Palästinensischen Autonomiebehörde, um die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern.

Es ist möglich, dass Netanjahu glaubt, dass er eine starke Unterstützerbasis in der israelischen Rechten und extremen Rechten zurückgewinnen kann, wenn er sich heute als Hindernis für die Herrschaft der PA präsentiert. Ein politischer Diskurs, der sich um die Frage dreht, wer für oder gegen einen palästinensischen Staat ist, ist für Netanjahu weitaus angenehmer als einer, der von der Frage beherrscht wird, ob man ihm die Führung des Landes zutraut.

Aber hier geht es um mehr als nur um das politische Überleben. Netanjahus Lebensaufgabe ist es, den palästinensischen Nationalismus zu beseitigen. Für ihn ist dies das historische Ziel dieser Generation des jüdischen Volkes - ein Ziel, das er von seinem Vater geerbt hat - und dies ist der Grund, warum er jahrelang bereit war, die Hamas in Gaza zu stärken, um die palästinensische Nationalbewegung zu spalten.

Wenn dieser Krieg damit endet, dass die Position der Palästinensischen Autonomiebehörde auch nur geringfügig gestärkt wird und sich ein Weg auftut, der die Zweistaatenlösung als Kompass nutzt - wie es die Amerikaner, die Europäer und ein Großteil der arabischen Welt fordern -, dann ist Netanjahus gesamtes Erbe in Gefahr. Und so zieht es der Premierminister, getrieben von seiner Ideologie, vor, den Krieg zu verlängern, auch wenn es keine Chance auf einen echten militärischen Sieg gibt, um jeden Fortschritt in Richtung palästinensischer Unabhängigkeit zu verhindern.   Quelle


 

Israel will die Uhr auf 1967 zurückstellen

Muhannad Hariri - 17. November 2023 - Übersetzt mit DeepL

In seinem Buch Das größte Gefängnis der Welt schreibt Ilan Pappe, dass im Juni 1967, nachdem Israel seine arabischen Feinde im Krieg von 1967 besiegt hatte, die israelische Knesset zusammentrat, um die Optionen für die Nachkriegszeit zu erörtern.

Einerseits konnte Israel sein Programm von 1948 zur ethnischen Säuberung der Palästinenser wieder aufnehmen und Israel schließlich zu einer rein jüdischen Nation machen. Andererseits erwog Israel die Durchführung einer Besetzung der palästinensischen Gebiete ohne Vertreibung.

Warum hat sich Israel für die Besetzung entschieden?

Obwohl die Nachkriegsrealitäten von 1948 und 1967 ähnlich waren und einen fruchtbaren Boden für die weitere Vertreibung der Araber boten, gab es laut Pappe einen wichtigen Unterschied.

"1948 wurden die Entscheidungen über das Schicksal der Palästinenser vor dem Krieg getroffen, während sie 1967 nach dem Krieg formuliert wurden", schreibt Pappe in The Ethnic Cleansing of Palestine. Der Zeitpunkt dieser Entscheidung bedeutete, dass Israels Handlungen 1967 sichtbarer waren als 1948. Die internationale Gemeinschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits intolerant gegenüber Expansionsbestrebungen geworden.

Aber es war nicht nur eine Frage der internationalen Optik.

In den zwei Jahrzehnten nach der Nakba entwickelte sich die israelische Regierung zu einer viel breiteren Parteienkoalition, und es war nicht mehr selbstverständlich, dass eine Vertreibungspolitik von der Knesset einstimmig angenommen werden würde.

Angesichts dieser Tatsachen wurde beschlossen, die palästinensischen Gebiete auf unbestimmte Zeit zu besetzen.

Die Politik des Kalten Krieges
Im Jahrzehnt vor dem Krieg von 1967 waren die USA eigentlich gegen die Idee einer israelischen Besatzung, insbesondere im Westjordanland, das sie damals als jordanisches Gebiet betrachteten.

Dies änderte sich unter Präsident Lyndon B. Johnson, der dazu neigte, den arabisch-israelischen Konflikt durch das Prisma des Kalten Krieges zu sehen. Infolgedessen befürwortete die Johnson-Regierung ein Bündnis mit Israel und erklärte sich bereit, das Land in beispielloser Weise zu bewaffnen und zu unterstützen.

Tatsächlich erwies sich Israel mit der Zeit als "zuverlässiger Partner gegen vermeintliche sowjetische Stellvertreter im Nahen Osten", schreibt Rashid Khalidi in The Hundred Years' War on Palestine.

Bis zu diesem Wandel hätte jedoch "keine der kämpferischsten amerikanischen Regierungen eine israelische Besetzung des Westjordanlandes unterstützt", schreibt Pappe, "aber alle unterstützten sie, nachdem sie stattgefunden hatte".

Mit einem Wort: Sobald Israel als entscheidender Partner im Kalten Krieg angesehen wurde, wuchsen seine Privilegien gegenüber den arabischen Bevölkerungen in seiner Umgebung.

Spulen wir vor zum gegenwärtigen Krieg gegen Gaza. Wir befinden uns in einem ähnlichen Moment, in dem der Westen nach dem 7. Oktober grünes Licht für eine umfassende israelische Aggression gegeben hat.

Plant die israelische Führung, die Uhr auf 1967 zurückzustellen? Und wird sie die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen und möglicherweise aus Teilen des Westjordanlandes anstreben? Alle Anzeichen deuten auf ein Ja hin.

Man bedenke die Worte des Knessetmitglieds Ariel Kallner: "Im Moment gibt es nur ein Ziel: Nakba! Eine Nakba, die die Nakba von 48 in den Schatten stellen wird. Nakba in Gaza und Nakba für jeden, der es wagt, sich anzuschließen."

Während Israels Völkermord im Gazastreifen weitergeht, ist klar geworden, dass das Endspiel von Premierminister Benjamin Netanjahu in der Tat die vollständige Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen und möglicherweise sogar aus dem besetzten Westjordanland ist.

So verkündete Netanjahu kurz nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Gazastreifen, dass Israel einen "zweiten Unabhängigkeitskrieg" erlebe, eine Anspielung auf die Nakba von 1948.

Israels Missachtung der internationalen Gemeinschaft
Netanjahus und Kallners Worte geben einen Einblick in die israelische Empörung über die Erklärung von UN-Generalsekretär António Guterres, der 7. Oktober sei "nicht in einem Vakuum geschehen".

Oberflächlich betrachtet schien sich die israelische Empörung auf die vermeintliche Entschuldigung der Hamas zu beziehen. Der Generalsekretär bestritt rasch, dass er solche Entschuldigungen vorgebracht habe.

Dennoch hätte man sich fragen können, ob die israelische Leugnung der Zusammenhänge nicht mehr bezweckt, als die Hamas zu dämonisieren.

Tatsächlich lassen Israels Aktionen vor Ort auf eine weitere Motivation für seine Empörung über die Erklärung schließen: Es soll verschleiert werden, dass der derzeitige Krieg gegen Gaza die Uhr auf 1967 zurückstellt, als die israelische Regierung vor der Wahl zwischen Vertreibung und Besetzung stand.

Mit anderen Worten: Der aktuelle Angriff ist Israels zweiter Versuch, die ethnische Säuberung der Palästinenser nach dem Krieg von 1967 zu wiederholen.

Aber 2023 ist nicht 1948
Die groß angelegte ethnische Säuberung der besetzten palästinensischen Gebiete wird heute nicht gelingen.

Trotz der Legitimation, die das Weiße Haus über Israel ausbreitet, ist seine Lizenz zur "Selbstverteidigung" in den Augen der Welt unhaltbar geworden.

Am 27. Oktober stimmte die UN-Vollversammlung für eine Einstellung der Gewalt und die sofortige Durchführung angemessener und konsequenter humanitärer Hilfe. Massive Proteste in London, New York, Washington, DC, und anderswo forderten einen sofortigen Waffenstillstand.

Am 28. Oktober trat Craig Mokhiber, Direktor des New Yorker Büros des Hochkommissariats für Menschenrechte, aus Protest gegen das Versagen der UNO in Bezug auf den Gazastreifen zurück. In seinem Rücktrittsschreiben verwies Mokhiber auf "das derzeitige Gemetzel am palästinensischen Volk, das auf einer ethno-nationalistischen Siedler-Kolonialideologie beruht". Er nannte den derzeitigen Krieg gegen Gaza "einen Fall von Völkermord wie aus dem Lehrbuch".

Israels völkermörderisches Projekt der totalen Vertreibung lässt auch die sich verändernde Realität vor Ort außer Acht. Wie Omar Karmi argumentierte, hat der Angriff der Hamas am 7. Oktober Israels Ruf als allmächtige und brutale Abschreckungsmacht stark beschädigt.

Hasan Nasrallah von der Hisbollah bezeichnete den 7. Oktober als "ein großes Ereignis, um dieses unterdrückerische ... besetzende, usurpierende zionistische Regime und seine Unterstützer in Washington und London zu erschüttern".

Unter anderen Umständen würden die oben skizzierten Faktoren für Israel ausreichen, um sich zurückzuhalten. Dennoch hat Netanjahu die jüngsten Aufrufe von US-Außenminister Antony Blinken zu "Pausen" im Konflikt zurückgewiesen, um die dringend benötigte humanitäre Hilfe zu ermöglichen.

Die tödliche Kombination aus amerikanischem Schutz und der vorherrschenden Verwirrung vor Ort bietet einen idealen Schutz für die groß angelegte Zerstörung palästinensischen Lebens im Gazastreifen und im Westjordanland. Und während, in den Worten eines kürzlich erschienenen Haaretz-Leitartikels, "Israel in Gaza gegen die Uhr der USA arbeitet", scheint es, dass Netanjahus Endspiel wirklich die totale Vernichtung des palästinensischen Volkes ist.  Quelle


 

Gaza ohne Grenzen und ohne Krieg.

Eine Neubetrachtung der Stadtentwürfe von Michael Sorkin und anderen Architekten nach dem Gaza-Krieg 2014.

Von Deen Sharp, einem Stadtgeografen, der sich auf die arabische Welt spezialisiert hat


Terreform, eine von Michael Sorkin gegründete gemeinnützige Organisation, stellt sich ein Gaza vor, in dem die Bewohner ihr Recht auf Stadt verwirklichen können. Ihr Vorschlag privilegiert Zonen für die Landwirtschaft. Illustration: Mit freundlicher Genehmigung der AUC Press und Terreform

20. 11. 2023 -  Übersetzt mit DeepL

In seinem Buch Twenty Minutes in Manhattan beschrieb der verstorbene Architekt Michael Sorkin seinen morgendlichen Spaziergang von seiner Wohnung in Greenwich Village durch den Washington Square Park zu seinem Büro in Tribeca. Für Michael Sorkin war der einfache Akt des Gehens von entscheidender Bedeutung, um ein Recht auf die Stadt und auf die Gestaltung einer demokratischen Stadt geltend zu machen. Beim Spazierengehen, so schrieb er, können wir die kleinen Veränderungen in unseren Vierteln und bei unseren Nachbarn im Laufe der Zeit beobachten und den urbanen Kämpfen Aufmerksamkeit schenken, die die Städte schaffen, die wir kennen und lieben. Die Nachbarschaft - der Raum der Nähe, Nachbarschaft und Verwandtschaft - war von zentraler Bedeutung für seinen lokalistischen Internationalismus und für seine Vorstellung von der guten Stadt. Aus diesem Grund beklagte Michael die "Architektur der Unsicherheit": die globale Verbreitung von Überwachungskameras, Autobahnscannern, GPS-Tags und Gated Communities in unseren Städten. Diese Praktiken der Kontrolle beseitigten die Möglichkeit der Kollision und des Zusammenwirkens von Körpern im physischen Raum, die Reibung, die für das Stadtleben so wichtig sei.

Für Michael waren die israelische Besatzung Palästinas und die Blockade des Gazastreifens ein Beispiel für die Architektur der Unsicherheit auf Steroiden. Der palästinensische Gazastreifen war zu einer Leinwand geworden, auf der Israel verschiedene Unterdrückungstechniken entwickelte, testete und überwachte. Auf einer Fläche von 139 Quadratkilometern leben 2 Millionen Menschen seit fast 20 Jahren unter Belagerung in einem der am stärksten bedrängten städtischen Gebiete der Erde. Obwohl es häufig als "Freiluftgefängnis" bezeichnet wird, sieht es vor Ort wie ein Labor aus, das genau darauf ausgerichtet ist, die Wissenschaft der Beherrschung zu studieren. In Gaza haben die Israelis Algorithmen zur Berechnung und Quantifizierung der Kosten von Menschenleben entwickelt, um eine "verhältnismäßige Kriegsführung" zu betreiben, und Datenbanken zur Messung der Kalorienzufuhr der in Gaza gefangenen Bevölkerung aufgebaut.

 

Neues von Banksy - Quelle


2014 brachte die Operation "Protective Edge", der dritte große israelische Angriff auf den Gazastreifen innerhalb von sechs Jahren, Zerstörungen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß mit sich und tötete über 2.100 dort lebende Palästinenser. Die Harvard-Wissenschaftlerin Sara Roy, die den Gazastreifen seit über 30 Jahren studiert, schrieb kurz nach dem Bombardement 2014: "Ich kann ohne zu zögern sagen, dass ich noch nie eine solche menschliche, physische und psychologische Zerstörung gesehen habe, wie ich sie heute dort sehe." Michael war über diesen Angriff auf Gaza empört. Er sah sich veranlasst, einen Rahmen zu schaffen, um Visionen für eine gemeinsame urbane Zukunft für Israelis und Palästinenser zu entwerfen. Für ihn war der Kern des Konflikts eine Krise der Zugehörigkeit. Er sah in Israels getrennter und ungleicher Versorgung der Palästinenser mit Wasser, sanitären Einrichtungen, Verkehrsmitteln, Grünflächen und anderer Infrastruktur eine offensichtliche und gewalttätige Ungerechtigkeit. Seine Frustration wurde durch die Tatsache verstärkt, dass es, wie er vor langer Zeit am Beispiel Jerusalems gezeigt hatte, mehr als möglich war, eine effiziente und gerechte gemeinsame Stadt zu planen.

Über seine in New York ansässige Nichtregierungsorganisation Terreform, die ich mehrere Jahre lang leitete, brachten wir eine Gruppe von Designern, Umweltschützern, Planern, Aktivisten und Wissenschaftlern aus Palästina, Israel, den USA, Großbritannien, Indien und anderen Ländern zusammen, um auf die Brutalität der Operation Protective Edge mit Ideen zu reagieren, die über den Gazastreifen als Ort der Bombardierung und der Entbehrungen hinausgehen. Das Ergebnis war eine Sammlung von Projekten und Aufsätzen, die in dem Buch Open Gaza: Architectures of Hope", das ich gemeinsam mit Michael herausgegeben habe. Der Band sollte Teil einer Wanderausstellung sein, die in Gaza enden und eine Plattform für weitere Initiativen mit den Palästinensern im Gazastreifen werden sollte, um eine gerechtere - und schönere - städtische Zukunft zu schaffen. Es ist jedoch immer schwieriger geworden, die notwendigen Genehmigungen von Israel oder Ägypten für die Einreise nach Gaza zu erhalten, insbesondere für Forscher und all jene, die nicht unter dem Banner der "Humanität" arbeiten. Wie eine der Autorinnen des Buches berichtet, war sie gezwungen, die von der Hamas gegrabenen Tunnel zwischen Ägypten und Gaza zu benutzen, um ihre Familie dort zu besuchen, nachdem klar war, dass sie weder den südlichen noch den nördlichen Grenzübergang passieren konnte. Während wir unsere Reise nach Gaza planten, brach die Welt mit dem Ausbruch der Pandemie zusammen, und Michael selbst wurde uns im März 2020 auf grausame Weise von COVID genommen. Die Ausstellung kam nie in Gaza oder anderswo an, aber ich sorgte dafür, dass Open Gaza trotz seiner Abwesenheit im Jahr 2021 in die Welt hinausgetragen wurde.

Bei der Vorstellung ihres Plans für ein zukünftiges Gaza geben die Mitarbeiter von Terreform, darunter auch Sorkin, zu, dass dieser aus einer wilden Idee heraus entstanden ist: "Man denkt ganz anders über Gaza ... wenn seine politische Grenze als physische Tatsache verschwindet." Die Vision von Terreform wirft die "willkürlichen und grausamen" Grenzen weg, die durch Teilung und Besatzung auferlegt wurden, um die Stadt wieder mit der Region zu verbinden. Der Gazastreifen ist eine Ringstadt, die das Hinterland mit einbezieht und nicht auf das Meer blickt, wo sich die Menschen und die Entwicklung derzeit konzentrieren. Obwohl Palästina ein maritimes Land ist, hat sich Terreform für das Hinterland entschieden, weil es Möglichkeiten bietet, die Dichte und das Bevölkerungswachstum umzuverteilen, den Zugang zur Natur zu verbessern und ein breiteres Spektrum an Lebensumständen zu schaffen. Eine "Siedlungskette" ist um einen landwirtschaftlichen Kern herum organisiert, der auch als Park fungiert. Der Vorschlag umfasst auch ein Fährsystem, das Gaza-Stadt mit Haifa, Izmir in der Türkei, Marseille in Frankreich und Tanger in Marokko verbindet. Diese Fähre würde sich mit einer neu gebauten Eisenbahnlinie und einem verbesserten Straßennetz zu einem multimodalen System für Reisen und Handel verbinden. In diesem Stadtplan können ein Israeli und ein Palästinenser auf dem Weg nach Marseille gemeinsam auf eine Hochgeschwindigkeitsfähre warten. Dies ist ein Gaza der offenen Straßen, der öffentlichen Verkehrsmittel, der angemessenen, erschwinglichen Wohnungen und der städtischen Bauernhöfe; Strukturen, die in 20 Minuten durchquert werden können und in denen die Bevölkerung in ihre eigene Nachbarschaft investiert - eine Stadt, die alles hat, was sie braucht, um sich mit dem Rest der Welt zu integrieren.

Andere Beiträge in Open Gaza erinnern uns auch an die historische Vernetzung des Gazastreifens und sein zukünftiges Potenzial, ein regionales Zentrum zu werden. Wie uns die Architekten Mahdi Sabbagh und Meghan McAllister in Erinnerung rufen, ist es noch gar nicht so lange her, dass der Gazastreifen ein Ort war, an dem die Küstenrouten von Afrika in den Nahen Osten und nach Europa vorbeiführten. In ihrem rhetorischen Plan, den sie "Timeless Gaza" (Zeitloses Gaza) nennen, schichten sie das Gaza der bronzezeitlichen, hellenistischen, römischen und mittelalterlichen islamischen Epoche sowie einer imaginären zeitgenössischen Periode auf einer Karte auf und rücken seine Geschichte als Drehscheibe für Handel und Austausch in den Vordergrund. Der historische Hafen, der Marnas-Tempel (der Gott des Regens und des Getreides), das Stadtzentrum, die sich ausbreitenden Vororte, das Sportstadion und der Flughafen bilden die urbane Form eines zeitlosen Gaza. Palästina kann wieder ein Ort der Verbundenheit sein, behaupten sie.

Zeitloses Gaza: In dieser alternativen Zeitlinie sind alle Epochen des Gazastreifens gleichzeitig lebendig und gut: Römisch, umayyadisch, mamlukisch, osmanisch, britisch und, unter anderem, der zukünftige befreite Staat mit einem robusten Handels- und Verkehrsnetz. So phantastisch und anachronistisch dies auch erscheinen mag, es ist nicht weniger erfunden als die derzeitige Isolation des Gazastreifens. Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von AUC Press und Terreform

 

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Auch am Boden ist es notwendig, Zeit und Raum für Kontemplation zu schaffen. Die Architektin Romi Khosla schlägt ein Nakba-Denkmal vor, das in Gaza als Ort des Dialogs und der Versöhnung aufgestellt werden soll. Die Nakba (arabisch für "Katastrophe") bezieht sich auf den Moment im Jahr 1948, als die neu gegründeten israelischen Streitkräfte eine Großoffensive starteten und schätzungsweise 700 000 Palästinenser - die Mehrheit der Vorkriegsbevölkerung - vertrieben wurden.

Bis heute erinnert der Nakba-Jahrestag an die Ereignisse von 1948 und an das anhaltende Unrecht, das den Palästinensern widerfährt. Die Gedenkstätte von Khosla ist jedoch nicht nur für Palästinenser gedacht, sondern soll auch einen öffentlichen Raum für die Interaktion zwischen Israelis und Palästinensern schaffen, die Propinquity. Dies geschieht zunächst durch die vollständige Nachbildung des Berliner Holocaust-Denkmals in Gaza. Diese ursprünglich von Peter Eisenman und Buro Happold entworfene Betonplattenlandschaft würde in Gaza eine zusätzliche Bedeutung erlangen, indem sie einen Raum des Gedenkens an den Holocaust und die Nakba ermöglicht. Khoslas Entwurf fügt in diese Landschaft eine Grube der Kontemplation ein, die der von Le Corbusier in Chandigarh in Nordindien entworfenen Grube der Hand der Gerechtigkeit nachempfunden ist. Wie die dortige Grube ist auch diese für Gemeinschaften gedacht, die sich nicht einig sind, ganz im Sinne von Le Corbusiers Idee, dass es immer zwei Seiten einer Frage gibt". Khosla fügt hinzu, dass Israelis und Palästinenser hier nicht "auf magische Weise" so tun würden, als wären die Ungleichheiten verschwunden, sondern sich auf bestimmte Grundprinzipien einigen und neue Vereinbarungen aushandeln würden.

Die Realität, mit der Gaza heute konfrontiert ist, könnte von dieser gemeinsamen und offenen Zukunft nicht weiter entfernt sein. Die Auswirkungen der israelischen Blockade und des Rückbaus der Infrastruktur auf den Gazastreifen sind katastrophal. Die Krise der Eigenverantwortung ist unübersehbar. In Open Gaza berichtet Tareq Baconi, Autor des Buches Hamas Contained, wie die palästinensische Gesellschaft des Gazastreifens begonnen hat, sich gegen sich selbst zu wenden. "Extreme Armut, Hunger, Verlust der Würde, Trauer und Klaustrophobie sind dabei, die Grundsätze der Menschlichkeit an diesem Ort grundlegend zu verändern", erklärt Baconi. Er erinnert sich, wie er nach der Operation Protective Edge eine Schule besuchte, in der ihm die kleinen Jungen erzählten, dass sie im Sommer die Hälfte ihrer Klassenkameraden verloren hatten. Gaza ist, wie Baconi schreibt, "die deutlichste räumliche Manifestation dessen, wie absolute Herrschaft aussieht".

Der gegenwärtige Moment der extremen Krise zeigt dies noch deutlicher. Nachdem militante Hamas-Kämpfer am 7. Oktober einen wahllosen Angriff gestartet hatten, bei dem schätzungsweise 1.300 Israelis getötet wurden, war die israelische Antwort vorhersehbar heftig, mörderisch und ebenso wahllos. In nur sechs Tagen hat Israel 6.000 Bomben auf den Gazastreifen abgeworfen und die Versorgung mit Treibstoff, Strom, Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten unterbrochen. Es hat über 1 Million Palästinenser aufgefordert, die nördliche Hälfte des Gazastreifens zu evakuieren, während es den Streifen weiterhin bombardiert. Der gegenwärtige Konflikt ist jedoch kein humanitärer Notfall, sondern ein politischer, der auf dem Unvermögen beruht, eine gemeinsame Menschlichkeit zu erkennen - auch dies ist eine Krise der Zugehörigkeit. Nur wenige Menschen im besetzten Palästina haben ihre Stimme gegen die brutale und ungerechtfertigte Tötung von Zivilisten in Israel durch die Hamas erhoben; die Israelis waren nicht in der Lage, die Palästinenser als menschliche Wesen zu betrachten. Viele Wissenschaftler, die sich mit Völkermord und ethnischer Säuberung befassen, warnen davor, dass die von israelischen Politikern und Militärs verwendete Sprache "die Rhetorik zu reproduzieren scheint, die mit der Aufstachelung zum Völkermord in Verbindung gebracht wird", einschließlich des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant, der am 9. Oktober erklärte, dass "wir gegen menschliche Tiere kämpfen und dementsprechend handeln ... Ihr wolltet die Hölle, ihr werdet die Hölle bekommen."

Wie können zutiefst ungerechte Kontexte zu Orten werden, an denen die Ausgegrenzten ihren Sinn für kollektive Fähigkeiten wiedererlangen? Diese Frage stellen Teddy Cruz und Fonna Forman, Architekten und Professoren der University of California, in ihrem Beitrag zu Open Gaza. Ausgehend von ihrer Arbeit in Grenzgebieten auf der ganzen Welt, insbesondere an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, schlagen sie einen pragmatischen, schrittweisen Ansatz vor, um das Gefühl der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Menschen auf den gegnerischen Seiten eines Kampfes zu stärken. Konkret schlagen sie die Einrichtung von grenzüberschreitenden Gemeinschaftsstationen in Israel und Palästina vor. Sie haben solche Stationen in verarmten Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze in San Diego und Tijuana eingerichtet, wo die Bewohner über gemeinsame Probleme wie illegale Müllablagerungen, Luftverschmutzung und erschwinglichen Wohnraum diskutieren können. Die Verstärkung der Grenzmauer und die daraus resultierenden Schwierigkeiten beim Grenzübertritt bedeuteten, dass sie sich auch auf eine Telekommunikationsplattform verlassen mussten, um diese grenzüberschreitenden Dialoge zu ermöglichen. Cruz und Forman argumentieren, dass Gemeinschaftsstationen auf beiden Seiten der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel in ähnlicher Weise die Möglichkeit der Interaktion und gegenseitigen Anerkennung zwischen Palästinensern und Israelis erhöhen würden. Diese Arbeit soll natürlich nicht von der Forderung nach einem Ende der israelischen Besatzung ablenken, sondern auf einer Ebene von Mensch zu Mensch eine Grundlage für beide Gemeinschaften schaffen, um die Planung einer gemeinsamen Zukunft zu üben.

Wenn ich jetzt über Open Gaza nachdenke, war der Anstoß, die Palästinenser im Gazastreifen als Quelle des Lebens, der Fähigkeiten und Möglichkeiten zu sehen und nicht als düstere Statistik, noch nie so dringend und wichtig. Den Palästinensern muss Selbstbestimmung gewährt werden - die Kontrolle über die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ressourcen, die ihr eigenes Leben bestimmen. Aber ist Israel in der Lage, Seite an Seite mit Palästinensern zu leben, die weder besetzt sind noch von humanitärer Hilfe abhängig gemacht werden? Wird es den Palästinensern jemals erlaubt sein, durch ihre Städte zu gehen, um über die schrittweisen Veränderungen in ihren Vierteln nachzudenken und mit ihren Nachbarn zu verhandeln, um die Stadt zu schaffen, die sie wollen, anstatt nur die Ruinen ihrer Vergangenheit und Gegenwart zu begutachten? Dies mag in der heutigen Zeit unmöglich erscheinen, aber der einzige Weg nach vorne basiert auf der Gleichberechtigung von Palästinensern und Israelis. Für Israel ist es mehr als an der Zeit, die Besatzung zu beenden und sich auf eine neue Politik der Nähe zu besinnen.  Quelle

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