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 KurznachrichtenArchiv - ThemenLinksFacebook   -    18. August  2022   -   Sponsern SieAktuelle TermineSuchen

 

Gaza33

 

Holocaust war das falsche Wort – Genozid wäre besser gewesen

Die Empörung in Berlin und Jerusalem über die Äußerungen von Mahmud Abbas spiegelt nur das schlechte Gewissen über das Versagen der eigenen Politik wider

Arn Strohmeyer

Als „unsäglich“ und eine „Schande!“ haben deutsche Kommentatoren die Äußerung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bezeichnet, der dem Staat Israel einen Holocaust an seinem Volk vorgeworfen hat. Nun sollte man mit dem Gebrauch den Wortes Holocaust in der Tat vorsichtig und zurückhaltend umgehen, auch wenn man nicht unbedingt die These von der Einzigartigkeit dieses Mega-Verbrechens teilt. Tatsache ist aber auch, dass die Zionisten den Palästinensern durch ihr gewaltsames Vorgehen gegen dieses Volk furchtbare Leiden zugefügt haben: die Vertreibung des größten Teiles dieses Volkes aus seiner Heimat, der Raub ihres Landes, die Zerstörung ihrer Kultur und der Verlust unendlich vieler Menschen. Und diese Leiden sind nicht zu Ende, die brutale Besatzungspolitik verlängert sie Tag um Tag.

Die deutsche Nahostpolitik und damit das Verhältnis zu Israel stehen ganz im Zeichen des Holocaust. Um Erlösung von der deutschen Schuld zu erlangen, ist die Identifizierung mit dem zionistischen Staat total, die Palästinenser spielen dabei nur eine untergeordnete und marginale Rolle. Mit der umfassenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung Israels und der Verweigerung jeder Kritik an dessen grausamen Unterdrückungssystem unterstützt die deutsche Politik sogar die Besatzung und ihren Fortbestand.

Dabei muss man hinzufügen: Wenn der Holocaust der entscheidende Grund für die israelische Staatsgründung war, dann sind die Nakba (die Vertreibung 1948) und die gesamte Politik Israels gegenüber den Palästinensern auch Teil der deutschen Geschichte. Die historische Verantwortung auch für dieses Volk hat die deutsche Politik aber in ihrer einseitigen Bindung an Israel nie wahrgenommen, sondern hat stets rückhaltlos das gegen Völkerrecht und Menschenrechte verstoßende Vorgehen gegen die Palästinenser gebilligt und damit große Schuld auf sich geladen. Der israelische Historiker Ilan Pappe hat in diesem Zusammenhang geäußert, dass Deutschland sich mit dieser Politik moralisch auf die falsche Seite der Geschichte gestellt habe.

Angesichts dieser Fakten kann man die Äußerungen von Abbas durchaus nachvollziehen. Sieht man von dem Holocaust-Vergleich einmal ab, hat er mit den Aussagen, dass Israel ein Apartheidstaat sei, durchaus Recht. Große internationale Menschenrechtsorganisationen (wie Amnesty International, Human Rights Watch und B‘Tetselem in Israel) haben das inzwischen bestätigt. Außerdem hat Israel die Diskriminierung der Palästinenser in seinem Nationalstaatsgesetz festgeschrieben, sie sind danach nur Bürger zweiter oder dritter Klasse. Und auch Abbas’ Aussage von den über 50 Massakern an Palästinensern ist gerade von israelischen Historikern gut belegt worden.

Bleibt der Holocaust-Vorwurf. Auch wenn man zu großer Vorsicht und Zurückhaltung im Umgang mit diesem Begriff raten muss, die Unmenschlichkeit und Brutalität der zionistischen Ideologie und ihrer Politik kann dazu verführen, Ähnlichkeiten entdecken zu wollen. Das beginnt mit der Sprache. Der frühere Ministerpräsident Menachem Begin nannte Palästinenser „Tiere auf zwei Beinen“; der ehemalige Generalstabschef Raphael Eitan bezeichnete sie als „hirnlose Kakerlaken“; der ehemalige Regierungschef Ehud Barak sprach von „Krokodilen“. Solche diskriminierenden Bezeichnungen aus der Zoologie sind in Israel an der Tagesordnung. Oder die Palästinenser sind „Wölfe“ (Rabbi Dov Lior), „Schlangen“ (Rabbi Ovadia Josef) und „Würmer“ (der Likud-Abgeordnete Yehiel Hazan). Das sind sprachliche Beispiele aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Ihre Liste kann beliebig verlängert werden. Was man mit Ungeziefer wie Kakerlaken und Würmern macht – oder mit Krokodilen, Wölfen und Schlangen, wenn sie in Menschen zusetzen, ist ja bekannt.

Äußerungen hochgestellter Personen aus Politik und Religion, aber auch von Menschen aus der Bevölkerung, die zur Gewalt gegen Palästinenser aufrufen, sind Legion. Die Parole „Tod den Arabern“ ist überall in Israel auf Hauswänden oder auf Transparenten bei Demonstrationen zu sehen. Soldaten ließen beim Abzug aus dem Gazastreifen Graffiti zurück, die lauteten: „Araber müssen sterben!“ oder „Einer erledigt, 999 999 sind noch zu erledigen“. Soldaten trugen auch T-Shirts, die als Aufdruck eine schwangere Palästinenserin mit einer Zielscheibe auf dem Bauch zeigten. Darunter stand: „Ein Schuss, zwei Tote!“ Der renommierte israelische Historiker Benny Morris rechtfertigt sogar Völkermord, wenn er einer „guten“ Sache diene. Er bedauert noch heute, dass Israel 1948 die Palästinenser nicht vollständig vertrieben habe.

Die israelische Journalistin Amira Hass schrieb in einem Artikel, dass viele jüdische Israelis wünschten, die Kolonisierung der Palästinenser solle so ausgehen wie die in den USA, wo es den Siedlern gelang, die einheimische Bevölkerung fast vollständig verschwinden zu lassen. Der Rabbiner Jitzhak Shapira schrieb 2010 in einem Buch, dass man die unterschiedslose Tötung palästinensischer Zivilisten, auch von Kindern, aus dem jüdischen religiösen Recht ableiten könne, weil diese Kinder ja später als Erwachsene den Juden schaden könnten. Diese Aussage entspricht einer Empfehlung der früheren Justizministerin und heutigen Innenministerin Ayelet Shaked, palästinensische Mütter zu töten, weil sie ja kleine „Schlangen“ gebären würden, die später „Terroristen“ werden könnten. (Die Beispiele stammen bis auf das letzte aus dem Buch von Petra Wild Apartheid und ethnische Säuberung. Israels zionistischer Siedlerkolonialismus in Wort und Tat, Wien 2013)

Genozidale Tendenzen sind in der zionistischen Politik, Religion und auch im Alltag also weit verbreitet. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind ein zentraler Bestandteil der israelischen Politik. Kritisch eingestellte jüdische Intellektuelle nennen die Dinge auch beim Namen. So bezeichnet Ilan Pappe die Blockade des Gazastreifens schon vor Jahren als „genozidale“ und „eliminatorische Politik“ und warnte vor einem Völkermord. Der frühere UNO Menschenrechtsbeauftragte für die besetzten palästinensischen Gebiete, der amerikanisch-jüdische Völkerrechtler Richard Falk, nannte Israels Hungerblockade über den Gazastreifen 2008 einen „Holocaust-am-Entstehen“.

Er begründete das so: „Ist es eine unverantwortliche Übertreibung, die Behandlung der Palästinenser mit dieser kriminellen Nazi-Akte kollektiver Gräueltaten zu assoziieren? Ich denke nicht. Die jüngsten Entwicklungen in Gaza sind besonders beunruhigend, weil sie so deutlich eine bewusste Absicht auf der Seite Israels und seiner Verbündeten ausdrücken, eine ganze menschliche Gemeinschaft lebensbedrohlichen Bedingungen von äußerster Grausamkeit zu unterwerfen. Der Vorschlag, dass dieses Verhaltensmuster ein Holocaust-am-Entstehen sei, stellt vielmehr einen verzweifelten Appell an die Regierungen der Welt und die Weltöffentlichkeit dar, dringend zu handeln, um zu verhindern, dass die gegenwärtigen genozidalen Tendenzen in einer kollektiven Tragödie kulminieren.“

Die ehemalige UNO-Menschenrechtsbeauftragte Mary Robins zeigte sich nach einem Besuch des Gazastreifens nach dem Krieg 2008 entsetzt von den Zerstörungen, die sie dort gesehen hatte. Es sei schockierend, dass sich die Welt nicht um die furchtbaren Verletzungen so vieler Menschenrechte kümmere. Die Folgen der Blockade für die Bevölkerung fasste sie folgender maßen zusammen: „Ihre gesamte Zivilisation ist zerstört worden. Ich übertreibe nicht.“

Vielleicht hätte Abbas also das Wort Genozid für die Politik Israels anstatt des Wortes Holocaust benutzen sollen. Denn Genozid trifft sehr genau den von permanenter Gewalt geprägten Umgang Israels mit den Palästinensern. Der polnisch-jüdische Jurist Rapahel Lemkin, der für die UNO eine Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ausgearbeitet hat, die auch von der Weltorganisation angenommen wurde, bezeichnete Siedlerkolonialismus als seinem Wesen nach als genozidal. Er definiert Genozid so: Genozid ist eine spezielle Form der ausländischen Eroberung und Besatzung, die notwendigerweise imperialistisch und kolonialistisch ist. Der Begriff des Genozids bezeichnet die organisierte Zerstörung einer Bevölkerung durch ein breites Spektrum von sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Maßnahmen plus physische Gewalt. Genozid zielt in besonderer Weise darauf, die demographische Balance permanent zugunsten der Besatzer zu verändern. Zentral für Genozid war für Lemkin die Zerstörung der Kultur der besetzten und unterdrückten Bevölkerung, weil diese die Basis der gemeinsamen Identität und des Zusammenhalts dieser Menschen ist.

Diese Kriterien treffen für die zionistische Politik genau zu. Die australischen Genozidforscher John Docker und Ned Curtoys   mehr >>>

 


 

Apartheid in Palästina/Israel

Berichte und Reports

UN-Bericht sieht Schuld für Nahost-Konflikt bei Israel - 7. 6. 2022

280-seitigen Bericht -  Amnesty International wirft Israel vor, den Palästinensern ein "Apartheidsystem" aufzuzwingen  Der Bericht
Der Bericht - docx Datei
Der Bericht - pdf Datei

Der Bericht - Übersetzung ins deutsche.

Amnesty - Israel ein Apartheitsstaat
Human Rights klagt Apartheid an
Human Rights Watch klagt Israel an
Dies ist Apartheid - B'Tselem
Wir klagen Apartheid an?
Apartheid

Yes Din - The Occupation of the West Bank and the Crime of Apartheid: Legal Opinion
2017 - UN-ESCWA-Bericht
Al-Haq - The Legal Architecture of Apartheid – by Dr. Susan Power

Gutachten des IGH: Mauer ist illegal - Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verurteilt den israelischen Mauerbau -

Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zur israelischen Mauer

Yes Din - The Occupation of the West Bank and the Crime of Apartheid: Legal Opinion

2017 - UN-ESCWA-Bericht

Al-Haq - The Legal Architecture of Apartheid – by Dr. Susan Power

Am 28. 2. 2022 gab die ‚Harvard Law School’s International Human Rights Clinic (IHRC) – Internationale Menschenrechts-Forschungsstätte der Harward Rechts-Schule – einen Bericht heraus, der befindet, dass die Behandlung der Palästinenser in der Westbank durch Israel einem Apartheid-Verbrechen gleichzusetzen ist. Die Studie IHRC-Addameer-Submission-to HRC-Col-Apartheid-in-WB.pdf

 

Im Wortlaut

Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Abbas am 16. August 2022 in Berlin

Mitschrift Pressekonferenz - Dienstag, 16. August 2022

Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK Scholz: Ich freue mich, Sie hier in Berlin willkommen zu heißen, Präsident Abbas! Unsere Begegnung sollte ja eigentlich im März stattfinden. Leider musste ich meinen Besuch wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine kurzfristig absagen. Umso dankbarer bin ich, Sie nun heute hier in Berlin getroffen und ein erstes persönliches Gespräch geführt zu haben.

Wir haben uns heute über die aktuellen bilateralen und regionalen Themen ausgetauscht. Unsere Beziehungen sind eng und vielfältig. In der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe, in der Kultur- und Bildungspolitik arbeiten wir zusammen. Viele zivilgesellschaftliche Initiativen verbinden uns.

Wir haben auch über die jüngste Eskalation in Gaza gesprochen. Wir begrüßen sehr, dass die Waffenruhe zwischen Israel und dem Islamischen Dschihad gerade hält. Unsere Gedanken sind natürlich bei den zivilen Opfern und ihren Angehörigen.

Diese Eskalation belegt: Es braucht eine politische Lösung des Nahostkonflikts, um langfristig Frieden und Sicherheit für beide Seiten zu schaffen. Ich habe Präsident Abbas versichert, dass wir uns für eine verhandelte Zweistaatenlösung entlang der Grenzen von 1967 einsetzen. Deutschland ist unverändert der Überzeugung, dass der israelisch-palästinensische Konflikt dauerhaft und friedlich nur dann beigelegt werden kann, wenn in Verhandlungen zwischen beiden Seiten eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.

Ich habe Präsident Abbas versichern können, dass Deutschland ein verlässlicher Partner bleiben wird. Wir werden unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen.   mehr >>>


 

Israel und die Apartheidschwelle: Ein Weckruf

Im Westjordanland herrscht "Apartheid by Design", zwei Gesetze für zwei Völker, wie es im Amnesty-Bericht heißt. Aber innerhalb Israels ist die Situation komplexer, meint Tony Klug.

Tony Klug - 17. 8. 2022

Am 4. Juli veröffentlichten wir einen Aufsatz von Robert Herbst über die Bedeutung der Apartheid-Diskussion mit dem Titel "Israelische Apartheid: Die Macht des Rahmens, die Schande des Namens", der einen Absatz über die Ansichten von Tony Klug enthielt, die er während eines Webinars für das Palestine-Israel Journal im Juni geäußert hatte. Klug war der Meinung, dass seine Ansichten nicht angemessen wiedergegeben wurden, und stellte uns die vollständige Fassung seiner Bemerkungen zur Verfügung, die wir aus Gründen der Fairness nachstehend veröffentlichen. -Redakteur.

Ich möchte mit der Feststellung beginnen, dass vor vielen Jahren drei israelische Premierminister und andere Freunde Israels davor gewarnt haben, dass der jüdische Staat, wenn er das Westjordanland noch länger beherrscht, am Ende ein Apartheidregime führen wird. Nun, viele Jahre später sind wir hier.

Es mag sinnvoll sein, die Frage in drei Bereiche aufzuteilen: das besetzte Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem/Israel innerhalb der grünen Linie (was ich als Israel selbst bezeichnen werde)/ und, drittens, den gesamten Raum. Dann werde ich die Frage stellen, ob die Bezeichnung Apartheid - die der Amnesty-Bericht [vom Februar 2022] auf alle drei Gebiete anwendet - eine Lösung des Konflikts fördern oder behindern kann, ohne die keine der anderen Fragen wirklich gelöst werden kann.

Der Vorwurf der Apartheid im Westjordanland muss uns nicht lange aufhalten, denn es ist Apartheid mit Absicht: das völlig vorhersehbare Ergebnis einer Politik, die jüdische Siedler ermutigt, das Westjordanland zu bewohnen und gleichzeitig die volle israelische Staatsbürgerschaft zu behalten, einen Steinwurf entfernt von den besetzten Palästinensern im selben Gebiet, die keine der Rechte haben, die die Staatsbürgerschaft verleiht, und die einer militärischen Besatzung ausgesetzt sind.

Dieses System hat unweigerlich zu einer Reihe von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen geführt. Forderungen, die israelische Herrschaft weniger belastend zu machen - den Konflikt zu verkleinern oder die Apartheid zu reduzieren - gehen völlig am Thema vorbei. Das Problem ist die Fremdherrschaft über ein Volk, das versucht, sich selbst zu regieren, selbst wenn diese Fremdherrschaft den Anspruch hat, außergewöhnlich gutartig zu sein.

Im Prinzip könnte sich Israel auch nach 55 Jahren darauf berufen, dass es sich bei seiner Herrschaft im Westjordanland um eine vorübergehende Besetzung handelt, die in Kürze enden wird, und dass es in der Zwischenzeit das Verbot der Genfer Konvention beachtet hat, den rechtlichen und politischen Status eines besetzten Gebiets und seiner Bevölkerung zu ändern. Wenn dies nicht Israels Argument gegen die Apartheid im Westjordanland ist, was es nicht ist, dann hat es kein Argument.

Auf dem Gebiet Israels selbst ist die Angelegenheit noch komplexer. Einerseits gibt es dort rechtliche und soziale Diskriminierung und in einigen Fällen ein fest verankertes Muster von Missbräuchen. Andererseits haben palästinensische Bürger zwar nicht alle Rechte und Privilegien, die jüdische israelische Bürger genießen, aber sie besitzen israelische Pässe, können sich frei bewegen und äußern und haben das aktive und passive Wahlrecht. Sie sind Mitglieder des israelischen Parlaments und der Regierung, Diplomaten, Professoren, Ärzte, hochrangige Richter usw., und das alles in nicht segregierten Einrichtungen.

Ihre Realität ist nicht vergleichbar mit der der Palästinenser unter der Besatzung, geschweige denn mit der der Schwarzen unter der südafrikanischen Apartheid. Mit diesen Bemerkungen soll kein rosiges Bild gezeichnet werden, denn auch palästinensische Bürger Israels werden diskriminiert, am stärksten von den Beduinen im Süden Israels, sondern es soll ein umfassenderes Bild gezeichnet werden, das im Amnesty-Bericht fehlt.

Die entscheidende Frage lautet: Kommt die Diskriminierung innerhalb Israels insgesamt der schweren Sünde der Apartheid gleich, insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern? Es ist nicht nur eine Frage des Ankreuzens von Kästchen. Es geht auch um die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist, ähnlich wie bei der Frage, wann Misshandlung zu Folter wird. In meinem Artikel in der Zeitschrift gibt es einen kurzen Überblick über die ungeheuerliche Diskriminierung von Minderheiten in anderen Staaten des Nahen Ostens - nicht umfassend, aber genug, um anzudeuten, dass, wenn die Messlatte gesenkt wird, um Israel selbst einzuschließen, die meisten anderen Länder in der Region und viele darüber hinaus sich mit ziemlicher Sicherheit auch des Verbrechens der Apartheid schuldig machen würden. Und wenn Apartheid überall ist, ist sie nirgendwo.

Da das Verbrechen der Apartheid als besonders schwerwiegend gilt, obliegt es einer angesehenen weltweiten Menschenrechtsorganisation wie Amnesty International, die Schwelle festzulegen. Doch Amnesty hat in diesem Fall die Sorgfaltspflicht umgangen und ist direkt in die giftige Grube der Apartheid gestürzt, indem sie ein Land aus einer Reihe regionaler Konkurrenten und historischer Feinde für eine intensive Prüfung ausgewählt hat.

Was den dritten Teil der Analyse betrifft - gibt es Apartheid im gesamten Westjordanland und in Israel zusammengenommen? - ist die Antwort zwangsläufig dieselbe wie für den ersten Teil: ein Raum, zwei Völker, zwei unterschiedliche und höchst ungleiche Systeme. Auch hier spricht die Antwort für sich selbst, ohne dass umfangreiche Fallstudien erforderlich wären.

Der beste Weg, die Menschenrechtsverletzungen im israelisch-palästinensischen Kessel zu bekämpfen, ist ein schnelles und erträgliches Ende des erbärmlichen Konflikts. Ich kann nicht erkennen, wie der Amnesty-Bericht - indem er sein ganzes Gewicht hinter einen Diskurs wirft - diesem Ziel dienlich sein soll, selbst wenn dieser Diskurs im Wesentlichen für sich genommen gültig ist. Denn er ist zwangsläufig parteiisch, was für die streitenden Parteien in Ordnung ist, aber nicht für internationale Institutionen, die einen hart erarbeiteten Ruf für politische Unparteilichkeit haben.

Die Behauptung, dass Israel allein und von Anfang an ein Apartheidstaat ist - und dass dies der Kern und die Substanz des Problems ist - spielt in die vereinfachende Vorstellung hinein, dass der arabisch-israelische Konflikt von Anfang an ein elementarer Kampf zwischen Gut und Böse ist. Während die Israel verunglimpfende Strömung ausruft: "Beseitigt das zionistische Israel und baut seine siedler-koloniale Apartheid ab, und alle Konflikte werden verschwinden", schreit die palästinensisch-dämonisierende Strömung in gleicher Weise: "Wenn die Araber ihren Judenhass aufgeben und den Terrorismus aufgeben, werden alle Probleme gelöst sein". Natürlich ist die Sache viel komplexer als das.

Selbst für das Westjordanland gibt es einen Vorbehalt. Der Amnesty-Bericht fordert ein Ende der Apartheid, aber absurderweise nicht ein Ende der Besatzung. Dabei ist jetzt eine weltweite Kampagne zur Beendigung der Besatzung von größter Bedeutung, nicht die Linderung ihrer hässlichsten Auswirkungen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Besatzung. Erst wenn die beiden Völker politisch gleichberechtigt sind und frei atmen können, werden sie gezwungen sein, nach innen zu schauen und sich mit ihren internen Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen.  Quelle


 

Die Palästinenser dürfen in der deutschen Erinnerungspolitik nicht vorkommen

Anmerkungen zu Charlotte Widemanns Buch Den Schmerz der Anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis

Arn Strohmeyer

Die deutsche Erinnerungskultur ist ins Gerede gekommen und bedarf einer dringenden Korrektur. Die Publizistin Charlotte Wiedemann hat ein wichtiges Buch zum Thema geschrieben, das aufzeigt, in welche Richtung das Gedenken – vor allem an die Opfer des Holocaust, aber auch die des Kolonialismus – nehmen muss, wenn es nicht in Routine und dem „Nachsprechen einschlägiger Floskeln“ erstarren soll. Das gilt vor allem für die staatliche Erinnerungspolitik, der als Preis ihres Erfolges – denkt man etwa an das gemeinsame Gedenken mit Israel – eine „erstickende Umarmung“ drohe.

Die Autorin treibt vor allem die Frage um, warum es so schwer ist, den „Schmerz der Anderen zu begreifen“ – so auch der Titel des Buches. In Deutschland steht das Gedenken an den Holocaust mit Staatsräson-Charakter im Zentrum der Erinnerungskultur, was aber zugleich die automatische Abwertung anderer Leiden bedeutet. Die weitgereiste Autorin hat in vielen Ländern der Welt festgestellt, dass dort aus ganz verschiedenen Perspektiven auf die Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis geblickt wird und damit auch auf Israel. Das gilt etwa für die früher von europäischen Mächten kolonisierten Staaten Afrikas und Asiens, in denen die Sicht auf die eigenen Leiden im Vordergrund steht und nicht der Holocaust.

Die Autorin führt viele Beispiele für diesen Tatbestand an: Algerien, China, Indonesien, Kambodscha und Malaysia und Südafrika, geht aber auch ausführlich auf die Sklaverei und die rassistische Behandlung der Schwarzen in den USA ein. Auf die Frage, warum es eine Spaltung der Empathie den Leidenden gegenüber gibt, zieht die Autorin eine psychologische Erklärung heran: Empathie kann nur stattfinden, wenn eine minimale kulturelle Ähnlichkeit oder Gleichartigkeit mit den Opfern empfunden werden kann. Mit den jüdischen Opfern des Holocaust ist so gesehen eine Empathie möglich, kaum aber mit den Sinti und Roma, deren Volk im Holocaust auch furchtbare Verluste hinnehmen musste – über die Hälfte seines Bestandes.

Ein gutes Beispiel für Empathie sind auch die großen Sympathien für die durch Putins Krieg bedrängten Ukrainer, die aus der europäischen Kultur kommen: christlich, weiß und zumeist blauäugig, ganz im Gegenteil zu den durch Israels brutale Politik genauso bedrängten Palästinensern, für die sich nur wenige Menschen engagieren. Die Nicht-Empathie gilt auch für die millionenfachen Opfer des Kolonialismus, sodass man von einer Hierarchie der Empathiervergabe sprechen kann: Große Anteilnahme für die Einen, Nichtbeachtung und Vergessen der Anderen.

Wenn das so ist, gelten offenbar nur jüdische Opfer als gleichwertig, denen gegenüber man Schuld empfinden kann, nicht aber gegenüber Sinti und Roma, Schwarzen sowie Arabern. Die Autorin merkt dazu an: „Richtungen, in die Empathie fließen kann, werden eingeübt, und es gibt andere Richtungen, wo der Fluss blockiert ist und sich allenfalls Rinnsale den Weg suchen.“   mehr >>>
 

 

 

 

 

Charlotte Wiedemann

Den Schmerz der Anderen begreifen.

Holocaust und Weltgedächtnis.

 Propyläen Verlag, Berlin, ISBN 978-3-549-10049-3, 22 Euro


 

Palästinenser haben genug von der europäischen Holocaust-Heuchelei

Ali Abunimah - 17. August 2022

Europäische und israelische Beamte waren am Mittwoch über die Äußerungen von Mahmoud Abbas während eines Besuchs in Deutschland empört und heilig.

Einen Tag zuvor hatte der Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde neben Bundeskanzler Olaf Scholz gestanden und Israel beschuldigt, "50 Holocausts" an den Palästinensern begangen zu haben.

Scholz erklärte auf Twitter, er sei "empört über die ungeheuerlichen Äußerungen" von Abbas. "Gerade für uns Deutsche ist jede Relativierung der Einzigartigkeit des Holocausts unerträglich und inakzeptabel", so Scholz. "Ich verurteile jeden Versuch, die Verbrechen des Holocausts zu leugnen."

Armin Laschet, ein prominenter deutscher Rechtspolitiker und gescheiterter Kanzlerkandidat, behauptete sogar, Abbas' Worte seien die "widerlichste Rede", die je im deutschen Kanzleramt zu hören war - und erhob den Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde damit offenbar auf einen Platz in der Geschichte, der schlimmer ist als Hitler.

Dieser Verurteilung schlossen sich auch Vertreter der Europäischen Union an, die gerade erst Israels Bombardierung der Zivilbevölkerung in Gaza gebilligt hat.

Der israelische Premierminister Yair Lapid - zweifellos darauf bedacht, die geringe internationale Aufmerksamkeit auf Israels jüngste Mordserie zu lenken - schaltete sich schnell ein. "Mahmoud Abbas, der Israel auf deutschem Boden beschuldigt, '50 Holocausts' begangen zu haben, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern auch eine ungeheuerliche Lüge", erklärte der Mann, der kürzlich sagte, Israel werde sich nicht für die Tötung von Kindern in Gaza entschuldigen.

"Sechs Millionen Juden wurden im Holocaust ermordet, darunter eineinhalb Millionen jüdische Kinder", fügte Lapid hinzu. "Die Geschichte wird ihm niemals verzeihen."

Selbst deutsche Staatsmedien behaupten nicht, dass Abbas den Holocaust "geleugnet" habe - wie Scholz behauptete.

Abbas selbst stellte später klar - zweifellos in dem Versuch, die wütenden europäischen Zahlmeister der Palästinensischen Autonomiebehörde zu beschwichtigen -, dass seine Bemerkung in Deutschland "nicht darauf abzielte, die Einzigartigkeit des Holocausts zu leugnen, der sich im letzten Jahrhundert ereignet hat".

Abbas sagte, er wolle vielmehr "die Verbrechen und Massaker hervorheben, die seit der Nakba von den israelischen Streitkräften am palästinensischen Volk begangen wurden." "Diese Verbrechen haben bis heute nicht aufgehört", fügte der PA-Führer treffend hinzu. Es ist legitim, darüber zu diskutieren, ob solche Vergleiche sinnvoll sind, aber sie sind nicht selten.

Die Worte von Lapids Vater
- Vor einigen Jahren verglich Yair Lapids eigener Vater, der verstorbene Yosef "Tommy" Lapid, die tägliche Verfolgung von Palästinensern durch israelisch-jüdische Siedler in der besetzten Stadt Hebron im Westjordanland mit der Verfolgung von Juden in Europa kurz vor dem Holocaust.

"Es waren nicht Krematorien oder Pogrome, die unser Leben in der Diaspora bitter machten, bevor sie begannen, uns zu töten, sondern Verfolgung, Belästigung, Steinewerfen, Zerstörung der Lebensgrundlage, Einschüchterung, Bespucken und Verachtung", sagte der ältere Lapid, damals Vorsitzender des Beirats der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, 2007.

In ähnlichem Sinne verglich der israelische General Yair Golan vor sechs Jahren in einer Rede zum Holocaust-Gedenktag Israel mit Nazideutschland. "Wenn es etwas gibt, das mich an der Erinnerung an den Holocaust erschreckt, dann ist es die Identifizierung der abscheulichen Tendenzen, die in Europa insgesamt und in Deutschland im Besonderen vor 70, 80 und 90 Jahren auftraten, und die Feststellung von Beweisen für diese Tendenzen hier, bei uns, im Jahr 2016", sagte der General.

Die Lehren aus der Geschichte zu ziehen - wie es die Holocaust-Gedenkstätten fordern - bedeutet vermutlich, dass wir die gegenwärtigen Ereignisse im Lichte der deutschen Verbrechen untersuchen und erörtern.

Wie die Kulturorganisation der Vereinten Nationen, die UNESCO, erklärt, bietet die Holocaust-Erziehung "einen Ausgangspunkt, um Warnzeichen zu untersuchen, die auf das Potenzial für Massengräueltaten hinweisen können".

Doch laut Scholz ist dies verboten - zumindest für Palästinenser. Tatsächlich scheint das Beharren des deutschen Bundeskanzlers auf der "Einzigartigkeit" des Holocausts nur dann zum Einsatz zu kommen, wenn es nützlich ist, um Israel zu schützen.

Ukrainischer Staatschef verharmlost Holocaust
Im April behauptete der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky nicht zum ersten Mal, dass die russische Invasion seines Landes schlimmer sei als die Nazi-Besatzung während des Zweiten Weltkriegs.

Bei einer anderen Gelegenheit behauptete Zelensky vor israelischen Gesetzgebern, Russland führe eine "Endlösung" gegen die Ukraine durch, wobei er einen Begriff verwendete, der normalerweise für die Pläne der Nazis zur Ermordung von Millionen von Juden reserviert ist.

Nach Angaben des US-amerikanischen Holocaust-Gedenkmuseums ermordeten die deutschen Besatzer und ihre ukrainischen Kollaborateure während des Holocausts mindestens eine halbe Million Juden.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass deutsche oder EU-Politiker sich über Zelenskys schamlose Verharmlosung des deutschen und ukrainischen Völkermords an den ukrainischen Juden und Polen empört hätten.

Wenn irgendjemand den Holocaust verharmlost, dann sind es europäische und israelische Politiker und zionistische Organisationen, die die Erinnerung an die ermordeten Juden als Waffe einsetzen, um die zionistische Kolonisierung und Besetzung Palästinas und die damit einhergehende unerbittliche Ermordung der Palästinenser zu rechtfertigen.

Joseph Massad, Professor an der Columbia University, stellt fest: "Die israelischen Zionisten haben sich Ereignisse der jüdischen Geschichte, einschließlich des Holocausts, für propagandistische Zwecke angeeignet, um ihr 'Recht' auf Palästina zu behaupten - ein Land, auf das sie ein halbes Jahrhundert vor dem Völkermord ihren verdächtigen kolonialen Anspruch erhoben hatten."

"Indem sich Israel den Holocaust zu eigen macht, behauptet es, dass jede Anerkennung des Völkermordes eine Anerkennung von Israels 'Existenzrecht als jüdischer Staat' ist, während jeder Versuch, dieses Recht zu leugnen, bedeutet, den Holocaust zu leugnen", so Massad weiter.

Historisch gesehen, so Massad, habe die Palästinensische Befreiungsorganisation "stets ihr Mitgefühl mit den jüdischen Opfern des Holocausts bekundet und die Nazis verurteilt".

Aber Israel und seine Unterstützer lehnten diese Solidarität ab, weil die PLO sich damals weigerte, Israels Ansprüche auf das Land der Palästinenser anzuerkennen und zu akzeptieren.

Deutschlands "Freikarte"
- Bis heute lehnen Israel und seine Unterstützer jede Anerkennung des Holocaust oder Solidarität mit seinen jüdischen Opfern als unaufrichtig ab, die nicht ausdrücklich mit der Unterstützung der brutalen zionistischen ethnischen Säuberung und Kolonisierung Palästinas einhergeht.

Genau das ist der Vorgang, der in Scholz' Verurteilung von Abbas zum Tragen kommt - die das deutsche Kanzleramt nicht nur auf Deutsch und Englisch, sondern auch auf Hebräisch twitterte.

Damit wollte Scholz indirekt zum Ausdruck bringen, dass die Erinnerung an den Holocaust Israel und den Zionisten gehört, um sie nach eigenem Gutdünken politisch zu nutzen.

Für die deutschen Eliten ist die bedingungslose Unterstützung der israelischen Besatzung, Ermordung, Verfolgung und Enteignung des palästinensischen Volkes seit fast acht Jahrzehnten ein Freifahrtschein, um aus dem Gefängnis zu kommen.

Sie täuschen fromme Sühne vor, während es die Palästinenser sind, deren Leben und Land gestohlen wird - angeblich als Entschädigung für deutsche Verbrechen.

EU-Vizepräsident Margaritis Schinas schloss sich den Angriffen auf Abbas an und erklärte: "Der Holocaust ist ein unauslöschlicher Schandfleck in der europäischen Geschichte; er hat das jüdische Leben und Erbe in vielen Teilen unseres Kontinents ausgelöscht."
Damit hat er absolut Recht. Wenn also ein Territorium die angemessene Entschädigung für einen Völkermord ist, warum hat dann kein europäisches Land, insbesondere Deutschland, sein eigenes Land für einen "jüdischen Staat" angeboten?

Die Palästinenser haben es satt, den Preis für europäische Heuchelei und völkermörderische Verbrechen zu zahlen.  Quelle


 

 

Die 5 Denkanstöße der Woche
 

The PIPD Weekly Updates | 8 - 17. August 2022  

 

1. Israel bombardiert erneut den Gazastreifen, israelische Regierungspartei bringt sich für anstehende Wahlen in Position - Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden durch Israels dreitägige Bombardierung der Palästinenser im Gazastreifen 49 Menschen getötet, darunter 17 Kinder. Die meisten der Getöteten waren Zivilist*innen. Mehr als 300 Menschen wurden zudem schwer verletzt. Israel nahm Anfang der Woche zwei ranghohe Mitglieder der Gruppe “Palestine Islamic Jihad” im Westjordanland gewaltsam fest. Die PIJ drohte daraufhin mit Vergeltung. Das israelische Militär flog anschließend Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen und nannte diese "Präventivschläge". Die PIJ antwortete ihrerseits mit Raketen in Richtung Israel.  In den vergangenen Jahren kam es regelmäßig dazu, dass die jeweils - rechtsextremen - Regierungsparteien den Gazastreifen bombardierten, wenn Neuwahlen in Israel anstanden, um Stärke zu demonstrieren und damit die zunehmend rechts wählende israelische Wählerschaft für sich zu gewinnen. Premierminister Lapids Umfragewerte stiegen bereits kurz nach den Bombardierungen.  

 

Deutschland: 

Die Bundesregierung verurteilte allein “den [palästinensischen] Raketenbeschuss israelischer Städte und Gemeinden”, denn die dortigen “Zivilisten dürfen niemals das Ziel von Angriffen sein." Die Erklärung fährt fort, "zivile Opfer" pauschal zu beklagen, ohne zu erwähnen, dass sämtliche Opfer - insgesamt 44 - Palästinenser*innen im von Israel belagerten und beschossenen Gazastreifen waren.  


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Diese und andere Erklärungen täuschen darüber hinweg, dass Israel damit den Status Quo seiner Herrschaft über die Palästinenser zementieren möchte, speziell die 15-jährige völkerrechtswidrige, unmenschliche Abriegelung des Gazastreifens. 

2. Israelisches Militär tötet weitere Palästinenser in der Westbank - Einen Tag nach der Ankündigung des Waffenstillstands am 8. August töteten israelische Streitkräfte drei palästinensische Kämpfer der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, die gemeinhin als militärischer Flügel der Fatah angesehen werden. Zu den Getöteten gehört der 19-jährige Ibrahim al-Nabulsi, Israels meistgesuchter Mann in der Stadt. Nabulsi gehörte zu den Vorreitern eines neuen, einheitlichen und konsequenten palästinensischen Widerstandes - deswegen wurde getötet. Die Operation fand wahrscheinlich unter Mithilfe der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) statt, die von einer korrupten Elite regiert wird. 

 

Hintergrund: Israel hat in den letzten Monaten verschiedene Maßnahmen zur kollektiven Bestrafung der Stadt Jenin verhängt, nachdem Palästinenser aus dem angrenzenden Flüchtlingscamp bewaffneten Widerstand geleistet hatten. Dazu gehören Wirtschaftssanktionen, der Entzug von Reisegenehmigungen für Arbeiter, die Sperrung von Straßen, die Jenin mit anderen Teilen des besetzten Westjordanlandes verbinden, sowie vermehrte Razzien, Verhaftungen und gezielte Tötungen (z.B. Shireen Abu Akleh) in und um die Stadt.

 

➡️ Das unterdrückerische, brutale Handeln Israels und der kooptierten PA haben zu neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen palästinensischen Gruppen in Jenin geführt, die Israel sowie inzwischen auch die PA als gemeinsamen Feind eines legitimen bewaffneten Widerstands betrachten. 

3. Demonstrationen in Solidarität mit den unterdrückten, getöteten Palästinensern weltweit, darunter in mehreren deutschen Städten - Als Reaktion auf Israels Bombardierung des Gazastreifens sowie der im Laufe der letzten Woche getöteten palästinensischen Widerstandskämpfer hat es auch in Deutschland mehrere Demonstrationen gegeben. Im Kontext des Demonstrationsverbotes gegen sämtliche pro-palästinensische Gruppen Ende April sowie zum Wochenende der Nakba am 15.05.2022 - dem Gedenktag an die Vertreibung der Palästinenser, werden die Stimmen nach einem Verbot der palästinensischen Gruppe “Samidoun” in rechten Kreisen lauter. Samidoun setzt sich vielerorts für die Rechte palästinensischer Gefangenen ein und hatte in der Vergangenheit immer wieder Demonstrationen für die Freiheit aller Palästinenser angemeldet. 

 

➡️  Um die deutsch-israelische Version der Ereignisse in Israel/Palästina aufrecht zu erhalten werden zunehmend Stimmen, die in Deutschland von der Realität in den palästinensischen Gebieten berichten, aus dem öffentliche Raum ausgeschlossen.  

4. Versuch der Instrumentalisierung des Gedenkens an Holocaust-Überlebende Esther Bejarano gescheitert - Die jüdische Antifaschistin Bejarano, die das deutsche Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatte, verstarb letztes Jahr im hohen Alter. Bis zuletzt engagierte sie sich gegen alle Formen von Rassismus. Im Jahr 2017 schrieb sie einen offenen Brief an die Konferenz „50 Jahre israelische Besatzung“ und machte auf die Situation der Palästinenser sowie die Verleumdung jüdischer Antifaschisten in Deutschland aufmerksam. Mit ihr verstummte eine der letzten Zeitzeug*innen der Verbrechen der Nationalsozialisten. 

 

Was geschah: “Ein Jahr nach ihrem Tod wird versucht, ihr politisches Vermächtnis zu verdrehen”, so Meron Mendel,  Leiter der Bildungsstätte Anne Frank und deutsch-israelischer Historiker - denn: zu ihrer Gedenkveranstaltung wurden Phillip Burger (völkisch-deutscher Sänger),  Abraham Lehrer (Vizepräsident des konservativen, Israel-nahen Zentralrats der Juden in Deutschland), Holger Münch (Präsident des polizeilichen BKA), sowie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Ahmad Mansour (beide leiteten die anti-palästinensische Säuberungsaktion der Deutschen Welle) eingeladen. Kein einziger in diesem rechts-konservativen Kreis könne eine “links-progressive Person wie Esther angemessen würdigen”, so Mendel. Aufgrund massiven Widerstandes wurde die Veranstaltung inzwischen abgesagt - ein bitterer Nachgeschmack bleibt. 

 

➡️ Es ist kein Zufall, dass die "Gedenkveranstaltung" in dieser Form besetzt worden ist. Ähnlich wie in der jüdisch-organisierten Konferenz "Hijacking Memory" kritisiert, versucht Deutschland die lehren aus dem Nationalsozialismus in die geopolitische Stärkung seiner Allianz zu Israel umzuschreiben - palästinasolidarische Juden und Jüdinnen passen nicht ins Bild. 

5. Zensur und Diffamierung der Palästinasolidarität in Deutschland halten an:  

 

A. Diffamierungskampagne gegen nächsten deutschen öffentlich-rechtlichen Moderator wegen Palästina-Solidarität. Der migrantisch-deutsche KiKa-Moderator Matondo Castlo wurde für seine Teilnahme an einem linkspolitischen internationalen Treffen in Palästina von der Springer-Presse scharf angegriffen. In einem ausführlichen Artikel solidarisieren sich Aktivist*innen mit Castlo und sprechen von einer rassistischen Kampagne. Aus Angst, ähnlich wie im Fall Nemi El-Hassan medial-politisch abgeschrieben zu werden, distanzierte sich Castlo schnellstens von jeglicher Unterstützung für die Rechte der Palästinenser.  

 

B. Harte Konsequenzen für Juso-Mitglied wegen der Benennung Israels Apartheid gegenüber den PalästinensernNach Chat-Äußerungen zur israelischen Siedlungspolitik steht der Vorsitzende der Jusos Rüsselsheim/Raunheim, Mohamed Baaqoul, in der Kritik. Die Wellen schlagen bis in den Hessischen Landtag. Bezeichnend ist, dass neben der SPD selbst vor allem aus dem rechten politischen Spektrum, von CDU und Junger Union Rücktrittsforderungen kommen und es vonseiten der AfD heißt, man fühle sich „angewidert“, solcher Antisemitismus dürfe nicht geduldet werden.

 

C. Palästina Spricht für Mitorganisation einer Veranstaltung für Flüchtlinge ausgeladen. Als Anfang letzter Woche bekannt wurde, dass Palästina Spricht eine Veranstaltung für Geflüchtete in Bremen mitorganisiert hatte, kam es zu einem wahren Shitstorm gegen den Veranstalter. Der Dachverein forderte anschließend, die palästinensische Gruppe von der Veranstaltung auszuschließen - mit dem unbelegten Generalvorwurf, sie sei "antisemitisch". Daraufhin sah sich Palästina Spricht Bremen - gemeinsam mit dem Bremer Flüchtlingsrat - gezwungen die Zusammenarbeit zu beenden, die Veranstaltung für Geflüchtete wurde abgesagt.

 

➡️ An diesen Fällen anti-palästinensischer Stimmungsmache wird deutlich, dass in Deutschland überall Druck auf Palästina-solidarische Personen in der Öffentlichkeit ausgeübt wird. Wer zu seinen Überzeugungen steht, tritt selbst zurück - oder wird gecancelt. 

Unterzeichnen Sie die offizielle Europäische Bürgerinitiative zum Stopp des EU-Handels mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten weltweit!

 

Leiten Sie das Online-Formular zur Anmeldung für die "5 Denkanstöße" gern an ihre Bekannten weiter

 

Die Welt lässt Israel der Strafe für die Tötung von Palästinensern entgehen

Motasem A Dalloul  - 17. August 2022  - Übersetzt mit DeepL

Als vor kurzem fünf palästinensische Kinder während Israels brutalem dreitägigen Angriff auf den belagerten Gazastreifen getötet wurden, behaupteten die Besatzungsbeamten, ihr Tod sei auf eine Rakete zurückzuführen, die von der Bewegung Islamischer Dschihad abgefeuert wurde. Nun haben Beamte gegenüber Haaretz zugegeben, dass die israelischen Besatzungstruppen die Cousins Jamil Najmudine Nijm, 4 Jahre alt, Jamil Ihab Nijm, 13 Jahre alt, Hamed Haidar Nijm, 16 Jahre alt, Mohammad Salah Nijm, 16 Jahre alt, und Nazmi Fayez Abu Karsh, ebenfalls 16 Jahre alt, am 7. August getötet haben, als sie neben dem Grab ihres Großvaters auf dem Al-Falluja-Friedhof in der Nähe des Flüchtlingslagers Jabalia im nördlichen Gazastreifen saßen.

Yaniv Kubovich von Haaretz berichtete, dass israelische Armeevertreter erklärten, eine Untersuchung des Angriffs auf den Friedhof habe ergeben, dass Israel dafür verantwortlich sei und für den Tod der Kinder verantwortlich gemacht werden müsse. Der Islamische Dschihad bestand darauf, dass seine Raketen auf Ziele jenseits der nominellen Grenze abgefeuert wurden, um auf israelische Luftangriffe zu reagieren, bei denen einer seiner führenden Köpfe in einem Wohnhochhaus im Zentrum der dicht besiedelten Gaza-Stadt getötet wurde. Bei denselben Luftangriffen wurden auch mehrere Zivilisten getötet.

Obwohl es nicht lange dauerte, bis Israel die Verantwortung für diese Verbrechen gegen die Palästinenser übernahm, wird sich an der israelischen Politik vor Ort dadurch nichts ändern. Die Beamten des Apartheidstaates werden weiterhin glauben, dass die Ermordung palästinensischer Kinder den palästinensischen Widerstand gegen die militärische Besatzung abschrecken wird und dass niemand für dieses Verbrechen bestraft werden wird.

Dies wurde vom israelischen Premierminister Yair Lapid bestätigt, der am Ende der israelischen Offensive auf den Gazastreifen stolz verkündete: "Die Operation hat Israel die Initiative und die Abschreckung zurückgebracht." Er fügte hinzu: "Alle Ziele wurden erreicht", und: "Wir haben besondere Anstrengungen unternommen, um zu verhindern, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen... Der Tod unschuldiger Menschen, vor allem von Kindern, ist herzzerreißend."

Wo ist Lapid jetzt? Warum hat er sich nicht für die Tötung der palästinensischen Kinder entschuldigt, als er sagte, dass er "traurig" war, als er dachte, dass es eine Rakete des Islamischen Dschihad war, die den Schaden verursachte? Er wird sich nicht entschuldigen, das wissen wir, denn er hat auch gesagt: "Der Staat Israel wird sich nicht dafür entschuldigen, dass er seine Einwohner mit Gewalt verteidigt", selbst wenn dabei Kinder getötet werden könnten. Lapid ist eindeutig nicht der Meinung, dass das Töten unschuldiger Palästinenser eine Entschuldigung verdient.

 

66 palästinensische Kinder sind in den letzten 11 Monaten von der israelischen Besatzung getötet worden



Hier gibt es ein ernsthaftes Problem mit Israels Moralempfinden. Die Zionisten betrachten alle Palästinenser, auch Frauen und Kinder, als Terroristen, deren Existenz eine existenzielle Bedrohung für den zionistischen Staat darstellt. Die Frage ist: Wie steht die internationale Gemeinschaft zu all dem? Wo sind die so genannten demokratischen Staaten, die den Rest von uns über Menschenrechte und den Wert des menschlichen Lebens belehren?

Die Wahrheit ist, dass sie sich nur zu Wort melden, wenn ein Israeli von einem Palästinenser getötet wird, selbst wenn dieser Israeli ein voll ausgebildeter Soldat ist, wie die meisten Israelis es sind. Führende Politiker der Welt haben die Rückgabe der Leichen der beiden israelischen Soldaten gefordert, die während der 51-tägigen israelischen Offensive im Jahr 2014 von Hamas-Kämpfern gefangen genommen wurden. Wann hat einer dieser Führer Israel aufgefordert, die etwa 5.000 Palästinenser freizulassen, die in israelischen Gefängnissen verrotten, viele davon ohne Anklage oder Prozess?

Als die israelischen Besatzungstruppen im Mai die palästinensische amerikanische Journalistin Shireen Abu Akleh ermordeten, leugneten die Israelis jegliche Verantwortung für ihre Ermordung und behaupteten, sie sei durch eine von einem Palästinenser abgefeuerte Kugel getötet worden. Eine von den USA unter israelischer Aufsicht durchgeführte Untersuchung ergab, dass nicht bewiesen werden konnte, wer die tödliche Kugel abgefeuert hatte. Was hat die Welt getan? Nichts.

Was würde die Welt tun, wenn eine ordnungsgemäße Untersuchung ergeben würde, dass Abu Akleh von einem israelischen Scharfschützen ermordet wurde? Nichts. Und was wird die Welt tun, nachdem Israel zugegeben hat, dass es die fünf Kinder neben dem Grab ihres Großvaters in Gaza getötet hat? Nichts.

Israelische Soldaten scheren sich nicht um das Leben von Palästinensern. Im Jahr 2014 erhielten sie den Befehl, alle Palästinenser zu erschießen, denen sie begegneten, Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen, und zwar so viele wie möglich.

Auch die israelischen Politiker kümmern sich nicht um die Verbrechen, die von der "moralischsten" Armee Israels begangen werden. Sie ermutigen sie, Zivilisten zu töten, wie Lapids Äußerungen bestätigen. Sie wissen, dass sie nicht belangt und niemals bestraft werden. Also kümmert es sie nicht.

Sie mögen wohlfeile Kommentare über Menschenrechte und den Schutz von Zivilisten abgeben, aber sie ändern nichts an der Politik der Armee vor Ort. Laut Haaretz "beweisen die Zahlen, dass die besonderen Bemühungen des Militärs, Schaden von unbeteiligten Zivilisten abzuwenden, dem Test der Realität nicht standhalten und eher als eine Geschichte dienen, die Israel sich selbst und der Welt gerne erzählt, ähnlich wie die Geschichte, dass die IDF 'die moralischste Armee der Welt' ist."

Das Einzige, was die israelischen Verbrechen gegen die Palästinenser stoppen wird, ist, wenn dem Besatzungsstaat von der internationalen Gemeinschaft die Straffreiheit entzogen wird. Wenn die Welt Israel Sanktionen auferlegt, wird es sich zweimal überlegen, bevor es Verbrechen gegen die Palästinenser begeht.

"Israels fortgesetzte Politik und Praktiken haben zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen und -missbräuchen geführt, darunter die Brutalisierung von Kindern, Folter, Zwangsumsiedlungen und die Kolonisierung von Land", erklärte Michael Lynk, Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, im Mai den Staats- und Regierungschefs. "Israel hatte kein Interesse an einem gerechten Frieden und beging Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Apartheid".

Er betonte, dass die Blockade des Gazastreifens "unverzüglich" aufgehoben werden müsse. "Der Menschenrechtsrat hat die ethische und rechtliche Verpflichtung, zum Schutz des palästinensischen Volkes zu handeln und sich mit der Situation zu befassen, während er sich um die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle bemüht. Ein vollständig unabhängiger palästinensischer Staat in den Grenzen von vor 1967 und mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt muss eingerichtet werden."

Was geschah dann? Nichts. Israel hat weiterhin Verbrechen gegen die Palästinenser begangen und wird dies auch weiterhin tun, solange die Welt keine Strafe oder andere ernsthafte Maßnahmen gegen Israel verhängt. Die internationale Gemeinschaft lässt zu, dass Israel sich der Bestrafung für die Tötung von Palästinensern entzieht. Sie ist mitschuldig an Israels Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.  Quelle

Beiträge geben nicht unbedingt und in allen Aussagen  die Meinung der Redaktion wieder.
 

Eine kleine Auswahl weiterer Nachrichten und  Texte,  in meist englischer Sprache

Statement by the President of Palestine regarding what was stated in the response in joint press conference with German Chancellor Olaf Scholz in Berlin

Israeli occupation forces seize six Palestinian-owned vehicles in a Masafer Yatta community

Update: Army Injures Eighteen Palestinians, Three seriously, In Nablus (imemc.org)

Israel Forces Two Families To Demolish Their Homes In Occupied Jerusalem (imemc.org)

Israeli Troops Abduct 23 Palestinians in Pre-Dawn Raids (imemc.org)

Israeli authorities force a Palestinian family to self-demolish its home in East Jerusalem

Halt on construction order issued by the Israeli military for a mosque, four homes in Masafer Yatta

Israeli occupation forces demolish five agricultural rooms in the Salfit governorate

In Israel, shoot to kill first and then ask questions, if the target is a Palestinian

Israeli occupation forces seize six Palestinian-owned vehicles in a Masafer Yatta community

Newspapers Review: President Abbas’ remarks in Germany highlight of the dailies

Weather: No change in temperature or weather conditions


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