
Ein "schrecklicher
Mist"
- 3. 11. 2017 - Reiner Bernstein -
Der 100. Jahrestag ist vorüber. Am
02. November 1917 hatte
Außenminister Arthur James Balfour
(1848 – 1930) im Namen der Regierung
Seiner Majestät an Lord Lionel
Walter Rothschild, den Vorsitzenden
der „Zionist Federation of Great
Britain and Ireland“, jenes
Schreiben gerichtet, in dem das
jüdische Volk insgesamt zum
Völkerrechtssubjekt aufsteigen
sollte. Die „Durchführung dieses
Vorhabens“, in Palästina eine
nationale jüdische Heimstätte zu
schaffen, wolle London „nach Kräften
erleichtern“. In kolonialistischer
Tradition war die Zusage mit der
Gewähr der bürgerlichen und
religiösen Rechte für die
nichtjüdischen Gemeinschaften – sie
machten rund 90 Prozent der
Gesamtbevölkerung aus – verbunden.
Aus Anlass des Jubiläums stattete
Benjamin Netanjahu Downing Street 10
einen „Arbeitsbesuch“ ab, bei dem es
auch darum ging, von Theresa May ein
kritisches Wort zur „Aggression und
zum Terror“ Irans zu hören. In der
kommenden Woche wird die Knesset dem
Datum eine Sondersitzung widmen, und
dem US-Senat liegt eine Resolution
vor, welche die „stärksten
bilateralen Beziehungen“ zu Israel
würdigt. Mays Außenminister Boris
Johnson erinnerte auch an das Leid
der 750.000 arabischen Flüchtlinge
von 1948. Doch die Geschichte des
Konflikts geht weiter zurück.
Der als Vater der jüdischen
Kolonisation bezeichnete Arthur
Ruppin (1876 – 1944), in dessen Tel
Aviver Wohnung 1926 der Grundstein
für den „Friedensbund“ („Brit
Shalom“) gelegt wurde, hatte nicht
nur Theodor Herzl (1860 – 1904) die
„absolute Unkenntnis der
Verhältnisse in Palästina“
bescheinigt, sondern auch davor
gewarnt, dass die Erklärung Balfours
„mit ihren papiernen Privilegien …
für uns ein Fluch sein (wird), wenn
wir glauben, dass durch sie für uns
Rechte auf Palästina ‚begründet‘
sind“. Der Erziehungswissenschaftler
Akiva Ernst Simon (1899 – 1988)
forderte, „mit der gefährlichen
Parole ‚Erlösung des Bodens‘“ – eine
bekannte aktuelle Parole –
verantwortlich umzugehen. 1925
erlebte Robert Weltsch (1891 –
1982), Chefredakteur der
zionistischen Jüdischen Rundschau in
Berlin, heftige Reaktionen: Die
Juden müssten ehrlich und aufrichtig
bereit sein, „mit dem anderen Volk
zusammen zu leben“. Denn sie seien
es, „die neu hinzugekommen sind“.
>>>
Britische
Abgeordnete fordern von ihrer
Regierung die Anerkennung
Palästinas, um ihrer Zusage gerecht
zu werden
- 03.11.2017 - Mitglieder des
britischen Parlaments haben von der
Regierung verlangt, sich ihrer
'historischen Verantwortung' zu
stellen und sich 'an die zweite
Verpflichtung in der
Balfour-Deklaration zu halten',
indem sie den Staat Palästina
anerkennen.
In
einem Brief, der gestern, am
hundertsten Jahrestag der
Deklaration, persönlich in der
Downing Street 10 abgegeben wurde,
hoben die Abgeordneten das
Versprechen der Deklaration hervor,
dass "nichts getan werden soll, was
die zivilen und religiösen Rechte
der in Palästina bestehenden
nicht-jüdischen Gemeinschaften
beeinträchtigen könnte".
Einhundert Jahre später ist dieses
Versprechen noch immer nicht erfüllt
geblieben. Dem palästinensischen
Volk werden im Widerspruch zum
Völkerrecht weiterhin ihre
Grundrechte verweigert,
fügten
sie hinzu.
"Dass
den Palästinensern ihre Rechte
weiterhin verweigert werden, bleibt
eine der wesentlichen Ursachen für
einen Konflikt, der das Leben von
tausenden Israelis und
Palästinensern gefordert hat",
sagten die Amtsträger.
Der
Vorsitzende der Labour Freunde von
Palästina und dem Nahen Osten,
Grahame Morris unterzeichnete neben
weiteren 36 Abgeordneten mit Alex
Cunningham, Richard Burden, Andy
Slaughter den Brief.
"Die
britische Regierung sollte daher den
Staat Palästina an der Seite Israels
anerkennen, wie am 13. Oktoer 2014
vom House of Commons verlangt wurde,
und auf ein Ende der Besatzung
dringen sowie auf die Einhaltung des
Völkerrechts bei der Suche nach
einem gerechten und dauerhaften
Frieden."


Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Sonderseite -
Die Balfour-Deklaration
>>>
Gähnen – so
reagieren Israelis auf Landraub
- Amira Hass - 03.11.2017
- Was wäre geschehen, wenn
unbekannte Personen im Iran, in
Frankreich oder Venezuela jüdische
Geschäftsinhaber angegriffen und
gezwungen hätten ihr Geschäft zu
schließen?
Welche Entschuldigungen und
Äußerungen von Schockiertheit hätten
unsere Diplomaten von der
Europäischen Union, den Vereinten
Nationen und von wer weiß wem noch
verlangt?
Und mit welcher Lust hätten
verschiedene Rechercheure eine
Grafik von dem globalen Hass
erstellt und wären ausführlich
interviewt worden, mit ernster Miene
– in Erinnerung an eine dunkle
Vergangenheit - über die
beunruhigenden antisemitischen
Charakteristiken (dieser Taten),
Juden ihren Lebensunterhalt zu
rauben und ihr Eigentum zu
zerstören.
Aber für uns Israelis hat diese
rhetorische Frage ihre Kraft zu
erziehen, in Verlegenheit zu bringen
und zur Scham verloren. Die
Tatsache, dass so viele Israelis am
Raub des Lebensunterhalts so vieler
Palästinenser beteiligt sind, wird
nicht einmal von unseren
Seismografen registriert...
Nach ergänzenden Berichten vom
UN-Büro für die Koordination
humanitärer Angelegenheiten und von
zwei NGOs, den Rabbis für
Menschenrechte und Yesh Din, haben
in den letzten Wochen nicht
identifizierte Personen Oliven von
mehr als 1.000 Bäumen in elf
palästinensischen Dörfern in der
Westbank gestohlen – in 'Azmut, 'Awarta,
Yanun, Burin, Qaryut, Far'ata, Jit,
Sinjil, Al-Magheir, Al-Jinya,
Al-Khader. Darüber hinaus haben
nicht identifizierte Personen, die
wie Juden aussahen, Erntearbeiter
von den Dörfern Deir al-Khattab,
Burin, As-Sawiya und Kafr Kalil
angegriffen und aus ihren Obstgärten
getrieben. Abgesehen von Burin, wo
die Armee ein paar jüdische Diebe
ausfindig gemacht und die Ernte
ihren Eigentümern zurückgegeben hat,
bedeuten diese Diebstähle, dass die
Investierung von Zeit, Geld und Mühe
verloren gegangen ist.
Bei den meisten Dörfern handelt es
sich um Gebiete, die von den
Siedlungen und Außenposten in ihrer
Umgebung mit Einschüchterung und
Gewalt eingekreist worden sind,
während die Armee die Palästinenser
bestraft und ihnen den Zugang zu
ihrem Land beschränkt. Auf diese
Weise wird darauf hin gearbeitet,
dass das Gebiet in einigen Jahren
frei ist, um dort einen Luxusort zu
errichten. Die Interessierten
wissen, dass sie dort bald eine
Villa kaufen können, zu einem
niedrigen Preis und mit einer
herrlichen Aussicht. Deshalb gähnen
sie.
Es gibt den Diebstahl von
Einzelpersonen, und es gibt den
staatlichen Raub. Im Dorf Wallaja
zum Beispiel. Es ist sehr gut
möglich, dass dies das letzte Jahr
war, in dem es eine Olivenernte
gegeben hat. Im kommenden Jahr
werden die Dorfbewohner einem
Genehmigungsreglement unterworfen
sein, um durch eine Tür in der
Trennungsmauer zu ihrem Land zu
gelangen, die nur geöffnet wird,
wenn die Ziviladministration Teich
für die Verwaltung der
Landwirtschaft beschließt, sie
während zwei oder drei Monaten im
Jahr zu öffnen.
Letzten Freitag haben sich ein
Dorfbewohner und mehrere freiwillige
Israelis von 'darmah soziale
Verpflichtung' für die Ernte auf
seinem Land zusammengetan und haben
es vorgezogen, während der Arbeit
von angenehmen Dingen zu sprechen:
der Qualität des Öls, den
fleischigen Oliven auf den Bäumen
nahe dem , dem Sammeln der
verrunzelteren Oliven auf einer tief
gelegenen Terrasse, dem guten
Geschmack der Radieschen und grünen
Zwiebeln, die zwischen den Bäumen
wachsen.
Im nächsten Jahr werden die
Dorfbewohner strenge Bedingungen für
den Erhalt einer Genehmigung
vorfinden, ganz im Gegensatz zur
palästinensischen Praxis des
gemeinschaftlichen Arbeitens, und es
ist gut möglich, dass man ihnen
nicht mehr erlaubt dort Gemüse
anzubauen. Die, die gähnen, gehen
schon auf dem Land von Wallaja
spazieren, das zum Nationalpark und
einem Platz für Karussels, zur
Erholung und zum rituellen
Untertauchen für Juden erklärt
wurde. Und so Gott will, wird man im
nächsten Jahr, wenn der Mauerbau
fertig gestellt ist, keine
Palästinenser, die rechtsmäßigen
Eigentümer, mehr sehen.
Die Rede hier erklärt, warum ein
europäischer oder südamerikanischer
Boykott, zum Beispiel der
landwirtschaftlichen israelischen
Produkte notwendig und gerecht ist.
Vielleicht wird er bewirken, dass
die Israelis aufhören zu gähnen.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
A
century on from Balfour, I challenge
Britain to finally do the right
thing
-
Hanan Ashrawi - 2. 11. 2017 . -
Today we mark the centenary of the
calamitous Balfour declaration. In
1917, with a few paragraphs and a
stroke of his pen, the British
foreign minister, Lord Balfour,
unleashed historic forces that
changed the fate of an entire people
and a whole region. He committed a
grave sin: promising the homeland of
one people to another.
A century on, every Palestinian is
still plagued by the consequences of
that decision – whether it is the
refugees yearning to return, still
clutching the keys to their homes,
Palestinians suffering under an
occupation that has lasted 50 years,
Jerusalemites experiencing the
fraudulent transformation of the
character, demography, culture and
landscape of their city before their
eyes, or Palestinian citizens of
Israel who are undergoing an
intricate and cruel system of
discrimination and exclusion in a
country that claims to be
democratic.
A veneer of 'religious conflict' has
been superimposed on what are
political, legal, moral and human
rights violations
The Balfour declaration was
quintessentially a colonial decision
emanating from the myth of the
“white man’s burden”, the idea that
“advanced nations” needed to
administer the territories of
“peoples not yet able to stand by
themselves” – in the words of the
covenant of the League of Nations –
an inherently problematic and racist
notion in itself.
The land was neither Balfour’s nor
Britain’s to give away, but, as is
always the case with colonialism, a
diktat made in a capital far away is
meant to supersede the collective
rights and aspirations of a people.
Contrary to an oft-propagated myth,
the land was not devoid of people.
In 1920 the Jewish population in
Mandatory Palestine stood at only
11%; their land ownership was less
than 7% by 1947. Yet Balfour took it
upon himself to relegate the status
of the indigenous people of the land
to “non-Jewish communities” – a
second-class entity whose primary
existence was that of “the other”,
consisting of “communities” rather
than a people with national rights
who have been calling the land home
for centuries.
While the Jewish Palestinians became
the primary demographic and were
offered a “national home” in
Palestine, the Christian and Muslim
majority were defined >>>
Wer fürchtet sich
vor der iranischen Bombe?
-
Uri Avnery, 4. November 2017 - ICH
HASSE offensichtliche Wahrheiten.
Ideale mögen offensichtlich sein.
Politische Erklärungen sind es
nicht. Wenn ich von einer
offensichtlichen politischen
Wahrheit höre, beginne ich sie
anzuzweifeln. Die offensichtlichste
politische Wahrheit beschäftigt
sich im Augenblick mit dem Iran. Der
Iran ist unser Todfeind. Der Iran
will uns zerstören. Wir müssen seine
Fähigkeit dies zu tun, zuerst
zerstören.
Da dies offensichtlich ist, ist das
zwischen dem Iran und von fünf
Sicherheitsrat-Mitgliedern (plus
BRD) unterzeichnete
Anti-Nuklear-Abkommen schrecklich.
Nur schrecklich. Wir sollten die
US-Amerikaner längst beauftragt
haben, den Iran in tausend Stücke zu
bomben. Im unwahrscheinlichen Fall,
dass sie uns gehorcht haben würden,
sollten wie selbst den Iran mit
Atombomben bombardiert haben, bevor
ihre wahnsinnigen fanatischen Führer
die Gelegenheit hatten, uns zuerst
zu vernichten.
All dies sind offensichtliche
Wahrheiten. Meiner Meinung nach ist
all dies äußerster Unsinn. Da gibt
es nichts Offensichtliches um sie.
Tatsächlich haben sie überhaupt
keine logische Grundlage. Ihnen
fehlen jede geo-politische,
historische und aktuelle Grundlage.
NAPOLEON SAGTE einmal, wenn man das
Verhalten eines Landes verstehen
will, muss man auf die Landkarte
schauen.
Die Geographie ist bedeutender als
die Ideologie. Fanatische Ideologien
ändern sich von Zeit zu Zeit. Die
Geographie ändert sich nicht. Das
fanatischste ideologische Land des
20. Jahrhundert war
Sowjet-Russland. Es hasste seinen
Vorgänger, das Zaristische Russland.
Es würde seinen Nachfolger
verabscheuen, Putins Russland. Doch
– man höre und staune – die Zaren,
Stalin und Putin führen dieselbe
Außenpolitik. Karl Marx würde sich
in seinem Grab umgedreht haben.
Als das biblische israelische Volk
geboren wurde, war Persien bereits
ein zivilisiertes Land. König Cyrus
von Persien sandte die „Juden“ nach
Jerusalem und gründete das, was das
„jüdische Volk“ genannt werden kann.
Man erinnert sich in der jüdischen
Geschichte an ihn als großen
Wohltäter. >>>
Machsom:
mornings at Checkpoint 300
Peter
Morgan on November 1, 2017
Checkpoint 300, or the Gilo
Checkpoint, blocks the road between
Bethlehem and Jerusalem for
Palestinians. Since the 1990s, the
checkpoint has evolved from a couple
of soldiers at a roadblock to a
terminal complete with full body
turnstiles and biometric data
checking. Another node in Israel’s
‘matrix of control’ in the West
Bank, many western tourists pass
through the vehicle gate of the
checkpoint on day trips to visit the
holy sites in Bethlehem. However,
very few see the experiences of
Palestinian workers there in the
early hours of the morning. In early
2016, I spent many mornings at this
checkpoint observing and recording
the treatment of Palestinian
workers. Here is what I saw.
Machsom:
mornings at Checkpoint 300

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