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Stirb, leide nur,
du kahba!
- Gideon Levy - Das ist die Lektion, die die
Soldaten der israelischen Armee aus dem
Azaria-Prozess gelernt haben: Anstatt einen
'Terroristen' zu erschießen, lass sie verbluten,
während du sie verfluchst -
Etwas Grauenvolles ist letzten Donnerstag in den
besetzten Gebieten geschehen: es war nicht
weniger verabscheuenswürdig als das Erschiessen
eines handlungsunfähigen Terroristen durch Elor
Azaria. Wenn man den Videoclip anschaut, der das
Geschehen dokumentiert, dreht sich einem der
Magen um. Es ist empörend und macht einen
wütend, kein Medium in Israel hat dem irgendeine
Beachtung geschenkt - man denkt über den Abgrund
von Apathie nach, in den wir tief gesunken sind.
An diesem Tag stand eine Gruppe Soldaten um ein
sterbendes palästinensischen Mädchen (die 16-j.
Nouf Iqab Enfe'at von Ya'bad), das blutend auf
der Strasse lag und sich vor Schmerzen krümmte.
Die Soldaten
wetteiferten miteinander, wer sie mit noch
gemeineren Worten verhöhnen könnte. Das sind
deine Soldaten, Israel, das ist ihre Sprache,
das sind ihre Werte und ihre Standards. Kein
einziger dachte daran sich um ärztliche Hilfe
für sie zu kümmern, keiner dachte daran, den
Ausbruch verabscheuenswürdiger Obszönitäten, die
um das verblutende Mädchen flogen, zum Schweigen
zu bringen. Das war ein passendes Geschenk zu
den Jubiläumsfeierlichkeiten – von den gut
aussehenden Fallschirmjägern an der Klagemauer
bis zu diesem gemeinen Akt am Mevo
Dotan-Checkpoint.
Fünfzig
Jahre Besatzung haben uns so weit gebracht...
Quelle Übersetzung:
K. Nebauer >>>

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3.000
palästinensische Minderjährige seit 2000 von
Israel getötet, sagt Palästinensische
Autonomiebehörde am Tag des Kindes
- 01.05.2017 -
Ramallah: Anlässlich des Internationalen Tages
zum Schutz des Kindes am Donnerstag prangerte
die Palästinensische Autonomiebehörde das
ständige Leid an, das Israel seit der Zweiten
Intifada über die palästinensischen Kinder
gebracht hat.
Laut dem
palästinensischen Informationsministerium hat
das israelische Militär zwischen 2000 (Beginn
der Zweiten Intifada) und April 2017 3.000
palästinensische Minderjährige getötet. Im
selben Zeitraum wurden nach Schätzung des
Ministeriums 13.000 Kinder vom israelischen
Militär verletzt.
Entsprechend der
Dokumentation von Ma'an wurden seit Beginn der
Unruhen im besetzten palästinensischen
Territorium im Oktober 2015 72 palästinensische
Minderjährige getötet, wobei das jüngste Opfer
ein acht Monate altes Baby war, das durch das
Einatmen von exzessiv verbreitetem Tränengas
während Zusammenstössen getötet wurde. Das
Informationsministerium gab weiters bekannt,
dass im Zeitraum von 17 Jahren etwa 12.000
Kinder von Israel inhaftiert wurden, wobei die
überwiegende Mehrheit in israelischer Haft
geschlagen oder gefoltert, gefesselt wurde,
ihnen die Augen verbunden, sie gezwungen wurden
zu gestehen, was ihnen vorgeworfen wurde, ohne
die Anwesenheit eines Anwalts oder
Erziehungsberechtigten.
Laut der
palästinensischen Menschenrechtsgruppe für
Gefangene Addameer waren seit April 2017 6.300
Palästinenser und davon 300 Minderjährige von
Israel inhaftiert. Anfangs diesen Jahres
prangerte die Gruppe die Tatsache an, dass
hunderte palästinensische Kinder in israelischer
Haft "gefoltert, mißhandelt, in Isolationshaft
gehalten und gezwungen wurden Geständnisse in
Hebräisch zu unterschreiben, einer Sprache, die
die meisten palästinensischen Kinder nicht
verstehen".
Die PA schätzt,
dass jedes Jahr durchschnittlich 700 Kinder im
besetzten palästinensischen Territorium vom
israelischen Militär verhaftet werden; etwa
2.000 Kinder wurden seit Oktober 2015 inhaftiert
und beschuldigt "die öffentliche Ordnung
gestört" zu haben, indem sie zum Beispiel Steine
geworfen hätten.
Israel inhaftiert
jedes Jahr hunderte Palästinenser wegen
angeblichen Steinewerfens, und die israelische
Menschenrechtsgruppe B'Tselem berichtete, dass
von 2005 bis 2010 "93% der Minderjährigen, die
wegen Steinewerfens für schuldig erklärt wurden,
eine Haftstrafe zwischen wenigen Tagen und 20
Monaten erhielten". Palästinensische
Steinewerfer, von denen die meisten minderjährig
sind, sind mit harten Strafen durch die
israelischen Behörden konfrontiert, bis zu 20
Jahren Haft, wenn die Anklage auf Steinwurf auf
Fahrzeuge lautet, und einer Haftstrafe von
mindestens 3 Jahren für einen Steinwurf auf
einen Israeli.
Zusätzlich zu der
vom israelischen Militär zugefügten Gewalt
beklagte das Ministerium die Auswirkungen der
immer schlechter werdenden wirtschaftlichen
Situation auf palästinensische Kinder im
besetzten palästinensischen Territorium, vor
allem im belagerten Gazastreifen, die viele
Kinder zwinge die Schule zu verlassen und am
Arbeitsmarkt teilzunehmen.
Einen Report des
Palästinensischen Zentralbüros für Statistik von
2013 zitierend stellte das Ministerium fest,
dass 4,1% der Palästinenser zwischen 10 und 17
Jahren in Arbeit waren, während ein neuerer
Report des palästinensischen Arbeitsministeriums
schätzt, dass 102.000 palästinensische
Minderjährige arbeiten.
Das Ma'an
Development Center – das nicht zur Ma'an News
Agency gehört – schreibt die hohen Raten an
Kinderarbeit der schlechten Situation in
palästinensischen Schulen vor allem in
ländlichen Gegenden der besetzten Westbank zu,
wo ein großer Mangel an Material und Geld sowie
weite Schulwege viele Kinder dazu bringen, die
Schule zu verlassen.
Das
Informationsministerium erwähnt den Fall der
palästinensischen Kinder im besetzten
Ost-Jerusalem, von denen 85% unter der
Armutsgrenze leben, von denen wiederum 40% die
Sekundarschule verlassen, was insbesondere auf
das Fehlen von 1.000 Klassenräumen in der Stadt
zurückzuführen sei.
Palästinensische
Schulen waren auch Ziele von Zerstörung und
Armeerazzien durch die israelischen Behörden,
die das schulische Milieu und das allgemeine
Wohlbefinden der Schüler schwer beeinträchtigen.
Quelle Übersetzung:
K. Nebauer
(Anm.d.Ü.: Die durchschnittliche Zahl von 700
Inhaftierungen von palästinensischen Kindern pro
Jahr beziehen sich auf die Jahre vor 2012;
seither sind die Zahlen stark gestiegen.
Es ist durchaus
die Armut, die in den besetzten
palästinensischen Gebieten Kinder zwingt, zum
Familieneinkommen beizutragen; der zunehmende
Analphabetismus im Westjordanland bereitet auch
der PA Sorgen; auch muss erwähnt werden, dass in
manchen Gegenden Siedler Kinder auf dem Schulweg
drangsalieren und Schulen in der Nähe ihrer
Siedlungen überfallen und beschädigen. Manche
Kinder wollen deswegen nicht mehr zur Schule
gehen; Mitglieder von EAPPI begleiten solche
Kinder auf dem Schulweg, dürfen das aber nicht
in der Nähe von Siedlungen. Die Situation in
Hebron ist für palästinensische Schulkinder
besonders schlimm. |
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Israel
nimmt den Schriftsteller Ahmas Qatamesh ohne
Anklage gefangen
- Er ist einer von 500, die ohne Anklagte
verhaftet wurden. - Patrik Strickland, 21.
Mai 19017 - Als Israels Militär letzte Woche
kam, um den 66 Jährigen Ahmad Qatamesh in
seiner Wohnung in der besetzten Westbank zu
inhaftieren, sagte seine Frau, er sei
schockiert und verwirrt gewesen. Qataneh ist
eine bekannte intellektuelle Persönlichkeit,
die wegen ihres Schreibens und ihrer Vorlesungen
in der Morgendämmerung des 14. Mai festgenommen
wurde, nachdem das Haus seines Bruders in der
Nähe überfallen wurde.
Von Israel wurde er unter Verwaltungshaft
gesetzt, eine Praxis, die keine Anklage, bzw .
aus „geheimen Gründen“ über ihn verhängt wurde.
Er hat nicht einmal Verbindungen zu politischen
Organisationen . Er glaubt, er sei wegen seiner
Ideen festgenommen worden.
„Sie sollten nicht verhaften, weil er zu den
Leuten spricht und schreibt … es muss
persönliche Gründe haben.
Der israelische Geheimdienst hat Qatamesh schon
mehrere Male während des letzten Jahres zu
Verhören geholt, sagte Bargouti und ihn gewarnt
, er solle nicht provokativ über die Rechte
und andere Kämpfe der Gefangenen reden. Das
israelische Militärgericht hat eine drei Monate
lange Administrativ-Haft über ihn verhängt.
In der Zeit der Veröffentlichung hat der
Sprecher vom Shin Bet, der israelische
Geheimdienst, nicht auf Al-Jazeeras Fragen
geantwortet. Nach der Times of Israel wurde
Qatamesh wegen der Mitgliedschaft in der
Popular Front zur Befreiung Palästinas, eine
linke politische Partei, angeklagt.
Während des letzten Monats hat Qatamesh den
Hungerstreik in Israels Gefängnissen mit Reden
unterstützt. Addameer, eine in Ramallah
sitzende Gefangenen-Rechtsgruppe verurteilte in
einer Erklärung Israels Verhaftung von Qattamesh;
sie sagt, dass die Verhaftung darauf hinweist,
dass er noch immer wegen seines Schreibens und
seiner Aktivitäten verhaftet wurde. Von den
6300 palästinensischen Gefangenen in Israels
Gefängnissen sind 1300 Gefangene augenblicklich
im Hungerstreik . >>> |
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Gegen die Verletzung des Völkerrechts – ein
Appell an Oberbürgermeister Feldmann
- 5. Juni 2017 - Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin
- Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann,
mit Befremden haben wir, die Mitglieder und
Freund_innen der „Jüdischen Stimme für gerechten
Frieden in Nahost e.V.“ (JS), zur Kenntnis
genommen, dass Sie, in Ihrer Eigenschaft als
Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main,
Schirmherr einer für den 7. Juni anberaumten
Festveranstaltung des „Jüdischen Nationalfond/Keren
Kayemeth LeIsrael Deutschland e.V. “ (JNF–KKL)
sein werden, deren Ankündigung extrem
nationalistische und militaristische
Politikpositionen in Israel unverblümt auch
hierzulande zu verbreiten sucht.
Die Veranstalter beziehen das Motto des Konzerts
auf den Vers „Jerushalajim Du Aufgebaute, wie
eine ganz verbundene Stadt“ (Psalmen 122.3) aus
der Zeit des Königs Dawid, um – eine kaum zu
überbietende Demagogie – dem international
geltenden Völkerrecht ein vermeintlich
historisch begründetes, der jüdischen
Bevölkerung von Jerusalem seit biblischen Zeiten
vorbehaltenes Recht auf „Jerusalem als
Hauptstadt Israels“ entgegenzusetzen. Wir lesen:
„Während des Unabhängigkeitskrieges 1948 konnte
Jerusalem nicht gehalten werden. Erst im
Sechs-Tage-Krieg 1967 konnte die ganze Stadt
eingenommen und wiedervereinigt werden /…/
Freuen Sie sich auf den Chor der Großen Synagoge
Jerusalem, der eigens nach Frankfurt kommt, um
uns musikalisch durch die 3.000 Jahre alte
Geschichte der Hauptstadt Israels zu führen.“
Dass der 1901 von der zionistischen Weltbewegung
im damaligen Palästina als KKL gegründete und
später zu JNF/KKL umbenannte Fonds auf diese
Weise seine unheilvolle Mission der „Judaisierung
des Bodens“ – des Landraubs also – sowie der
Ausgrenzung und Vertreibung nichtjüdischer
Einheimischer in Israel religiös verbrämt,
wundert uns nicht. Die JS protestiert seit
Jahren regelmäßig öffentlich gegen die vom JNF –
oftmals mit Gewalt und äußerster
Menschenverachtung – durchgesetzte Enteignung
von arabischem Grund- und Bodenbesitz sowohl auf
israelischen als auch, unter dem Namen „Himanuta“,
auf den besetzten Territorien des
Westjordanlands und Ostjerusalems. Die
Machenschaften der Himanuta speziell hier werden
von internationalen Institutionen und
Vereinigungen als anhaltende und systematische
Vertreibung der nichtjüdischen Einwohner
verurteilt, als schleichende ethnische
Säuberung.
Nun sind der JNF/KKL und seine Agenturen
ausschließlich ihren Gründungsvätern und
Förderern verpflichtet. Demgegenüber sind Sie,
als Oberbürgermeister einer bundesdeutschen
Großstadt gehalten, allen Frankfurter_innen –
ungeachtet ihrer religiösen, nationalen oder
ethnischen Zugehörigkeit – uneingeschränkte
Achtung und umfassenden Schutz ihrer
Menschenwürde zu garantieren. Das bedeutet, dass
Sie jeder Art von Klientelpolitik entsagen
müssen. Dieses, im Prinzip für jede öffentliche
Funktion vorrangige Gebot, das für einen
Bürger_innen-Nähe beanspruchenden
Oberbürgermeister sicher höchste Bedeutung hat,
wird durch das Einverständnis zur
Schirmherrschaft für die genannte Veranstaltung
aus den folgenden Gründen empfindlich verletzt:
Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass Jerusalem
1948 keineswegs mehrheitlich jüdisch, sondern
Heimstätte für Menschen unterschiedlicher
Religionen, Ethnien sowie Nationalitäten war.
Daher werden Sie sicher auch wissen, dass die
vom JNF/KKL als „Unabhängigkeitskrieg“ und
„Befreiung“ gefeierten Waffengänge der
israelischen Armee Hunderttausende
palästinensische Einheimische, nicht zuletzt
auch aus Jerusalem, in die Flucht trieben sowie
unzählige palästinensische Ortschaften und
Lebenszusammenhänge gewaltsam zerstörten.
Palästinenser sprechen, vor allem, wenn sie bis
heute noch zur Staatenlosigkeit und einem Leben
in Flüchtlingslagern verdammt sind, von einer
Katastrophe, die 1948 über sie gekommen ist, von
der Naqba.
Aber selbst wenn Sie diese, übrigens von
israelischen Historikern seit Jahrzehnten
aufgearbeiteten und gut dokumentierten Tatsachen
nicht kennen, müsste Ihnen als Oberbürgermeister
und damit Träger eines öffentlichen Amts bewusst
sein, dass Ostjerusalem ebenso wie das
Westjordanland, der Gazastreifen und die
Golanhöhen seit nunmehr einem halben Jahrhundert
von Israel völkerrechtswidrig militärisch
besetzt sind und lebenswichtiger Ressourcen
beraubt werden. Gerade aus Ostjerusalem
erreichen uns über die hiesigen, aber auch über
etablierte israelische und internationale
Massenmedien, nahezu wöchentlich Meldungen von
Zerstörungen palästinensischer Wohnhäuser bis
hin zu Räumungen und Umsiedlungen von
mehrheitlich palästinensisch bewohnten
Straßenzügen und Bezirken. Es ist bekannt, dass
solcherart Ausgrenzungen, die über Himanuta vom
JNF forciert und mit Hilfe der israelischen
Armee gewaltsam durchgesetzt werden, der
demographischen Säuberung im Interesse der
Herstellung einer jüdischen Mehrheit in der
Stadt dienen. Als politischer Funktionsträger
darf es Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen
sein, dass die Vereinten Nationen, die
Europäische Union und nicht zuletzt die deutsche
Bundesregierung die sukzessive Besiedlung der
besetzten Gebiete und ebenso die Ausbeutung von
Wasser- und anderer Ressourcen, die den
nichtjüdischen Einheimischen vorenthalten
werden, als völkerrechtlich illegal verurteilen
und insbesondere Jerusalem zu keinem Zeitpunkt
als Hauptstadt Israels anerkannt haben.
Wie wollen Sie aufrechten Demokraten in Ihrer
Stadt, die sich für Frieden, sowie für Bürger-
und Menschenrechte engagieren, Ihre Entscheidung
zur Schirmherrschaft für eine Veranstaltung
erklären, auf der die verhängnisvolle
demographische „Judaisierung“ der Altstadt von
Jerusalem mit allen unmenschlichen
Erscheinungen, die Exzesse nationalistischer
Ausgrenzungspolitik für gewöhnlich aufweisen,
als „Jerusalems Befreiung“ geradenach besungen
wird?
Wie wollen Sie Bürger_innen palästinensischer
Herkunft, ganz gleich ob muslimischen oder
christlichen Glaubens, Ihre Entscheidung zur
Übernahme der Schirmherrschaft über eine
Veranstaltung erklären, in der deren 1948
begonnene, 1967 ausgeweitete und bis heute
systematisch fortgeführte Vertreibung und
Entrechtung selbstvergessen gefeiert wird? Und
wie wollen Sie den vielen besatzungskritischen
Stimmen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft,
und insbesondere unter der wachsenden Zahl
israelischer Einwanderer_innen, Ihre
Unterstützung für eine militaristische, an einer
Friedenslösung kaum interessierte Politik
erklären?
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann,
Ihr Engagement für Bürger- und Menschenrechte,
für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wurde bis
jetzt allenthalben gelobt. Ihre Wahlerfolge
zeugen von einer guten Stadtpolitik im Interesse
aller Frankfurter_innen. Gerade vor diesem
Hintergrund steht Ihre Entscheidung zur
Schirmherrschaft für eine Festveranstaltung, auf
der Verstöße gegen das Völkerrecht,
Expansionskriege sowie schleichende ethnische
Säuberungen gefeiert werden, einem gedeihlichen
interkulturellen und interreligiösen
Zusammenleben in Ihrer Stadt entgegen.
Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost e. V. appelliert an Sie deshalb, Ihre
Entscheidung zu revidieren.
Treten Sie von der Schirmherrschaft für das
Chorkonzert „1967–2017: 50 Jahre
wiedervereinigtes Jerusalem“ zurück.
Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin - International
League for Human Rights - FIDH/AEDH Germany -
Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) |
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Gideon
Levy: Was ich in 30 Jahren Berichterstattung
über die israelische Besatzung gesehen habe
-
04.06.2017 - Gideon Levy und Alex Levac - Am
Samstag vor zwei Woche kamen etwa zwei dutzend
Israelis zur Eröffnung einer neuen Ausstellung
in der Ben Ami Galerie im Süden von Tel Aviv.
Die Künstlerin, deren Werk zum ersten Mal
gezeigt wird, sass in einem Stuhl. Sie kann
nicht stehen und nicht ohne Hilfe atmen. Sie
kann keinen Teil ihres Körpers außer ihrem
Gesicht bewegen. Sie malt mit dem Mund. Die
Künstlerin ist ein 15-j. Mädchen. Sie ist bei
ihrem Debüt sehr aufgeregt – so wie auch ihr
Vater, der sie seit 11 Jahren Tag und Nacht
pflegt.
Durch einen
erschütternden Zufall fand die
Ausstellungseröffnung genau am 11. Jahrestag
ihrer Tragödie statt. Einem Tag, an dem fast
ihre ganze Familie vernichtet wurde; nur sie,
ihr jüngerer Bruder und ihr Vater überlebten die
lasergelenkte Rakete, die die 'moralische'
israelische Luftwaffe auf sie gefeuert hat. Sie
kam schwerst behindert davon, an ihren Rollstuhl
gefesselt, mit einem 'Sauerstoffgerät'
verbunden.
Maria Aman war vier Jahre alt, als die Rakete
das Auto ihrer Familie traf, das sie gerade an
diesem Morgen gekauft hatten. Sie stand auf den
Knien ihrer Großmutter auf dem Rücksitz und
tanzte, ihre Mutter saß daneben, als das
Projektil in das Fahrzeug schlug und ihre
Chancen auf ein normales Leben zerstörte. Der
Kommandeur der Luftwaffe distanzierte sich von
dem Vorfall, der sich 2006 im Gazastreifen
zutrug. Die israelischen Verteidigungskräfte
haben nie im Traum daran gedacht sich zu
entschuldigen, die Identität des Piloten wurde
nie preisgegeben, er übernahm auch nie die
Verantwortung, und die Israelis hat diese eine
weitere Rakete, die fast eine ganze unschuldige
Familie ausgelöscht hat, nicht bewegt.
Das Abfeuern der Rakete, die Aman so schwer
verlezt hat, gilt in Israel nicht als
terroristischer Akt, der Pilot, der sie
abgefeuert hat, gilt nicht als Terrorist – und
schließlich war es von ihm nicht so gemeint. Sie
meinen es niemals so. 50 Jahre lang hat Israel
es nicht so gemeint. Israel hat es nie so
gemeint; die Besatzung ist ihm anscheinend
aufgezwungen worden, gegen seinen Willen. 50
Jahre: alle haben es gut gemeint, mit guten,
moralische, ethischen Absichten, und nur die
furchtbare Situation – oder sollte wir sagen,
die Palästinenser – haben uns all das Schlimme
aufgezwungen...
Die Mehrheit der Israelis möchte nichts über die
Besatzung wissen. Wenige von ihnen haben
überhaupt eine Vorstellung davon, was sie ist.
Sie waren nie dort. Wir haben keine Idee, was
gemeint ist, wenn wir "Besatzung" sagen. Wir
haben keine Idee, wie wir uns verhalten würden,
wenn wir unter ihrem Regime lebten. Vielleicht,
wenn die Israelis mehr Information hätten, wären
ein paar von ihnen schockiert...
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer |
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Fünfzig Jahre,
fünfzig Lügen
- Es begann mit
der Frage, wie man die West Bank und Gaza nennen
sollte. Im Israelischen Rundfunk entschied man,
den Begriff „zeitweise besetzte Gebiete" zu
verwenden Das war Lüge Nr. 1. - Gideon Levy - 1.
6. 2017
Nehmen wir an, die Okkupation ist
gerechtfertigt. Sagen wir außerdem, dass Israel
keine Wahl hat. Lasst sie nicht einmal eine
Okkupation nennen. Sagen wir, sie sei vom
Völkerrecht anerkannt worden und die Welt habe
sie begrüßt. Nehmen wir an, die Palästinenser
sind dankbar für ihre Anwesenheit.
Nichtsdestoweniger liegt ein kleines Problem auf
ihr:
Das ganze Ding ist komplett auf Lügen gegründet.
- Von Anfang an bis zum sich hinziehenden Ende -
es ist alles eine Packung Lügen. Nicht ein
einziges wahres Wort ist damit verbunden. Wären
diese Lügen nicht gewesen, wäre sie in ihrer
Verfaultheit vor langer Zeit zusammengebrochen.
Wären diese Lügen nicht gewesen, ist es
zweifelhaft, dass sie überhaupt zustande
gekommen wäre. Diese Lügen, auf deren einige die
Rechte stolz ist (,,für das Land Israel ist es
erlaubt zu lügen"), reichen aus, um jeden
anständigen Menschen in Zuckungen zurückweichen
zu lassen. Man benötigt nicht ihre anderen
Schrecken, um davon überzeugt zu sein.
Es begann mit der Frage, wie man die Gebiete
nennen sollte. Im Israelischen Rundfunk wurde
entschieden, den Begriff „zeitweise besetzte
Gebiete" zu verwenden. Das war Lüge Nr. 1, die
beinhaltete, dass die Okkupation zeitweise sei
und dass Israel beabsichtigte, von diesen
Gebieten abzuziehen, dass sie nur ein Faustpfand
im Streben nach Frieden seien. Das ist
wahrscheinlich die größte Lüge, und sie ist
sicherlich die entscheidende. Es ist die Lüge,
die die Feier des Jubeljahrestags ermöglicht
hat. Die Wahrheit ist, dass Israel niemals
vorhatte, die Okkupation zu beenden. Ihr
angeblich vorübergehender Zustand schickte die
Welt mit einer Täuschung in den Schlaf.
Die zweite große Lüge war das Argument, dass die
Okkupation den Sicherheitsinteressen Israels
dient, dass es eine Maßnahme der
Selbstverteidigung durch eine hilflose Nation
ist, die von Feinden belagert wird. Die dritte
Lüge war der „Friedensprozess", welcher nie
wirklich stattfand und der auf jeden Fall auf
nur darauf abzielte, der Okkupation mehr Zeit zu
kaufen. Diese Lüge hatte viele Beine. Die Welt
war Komplize, belog sich permanent selbst. Es
gab Argumente, die Präsentation von Landkarten
(alle von ihnen ähnlich), Friedenskonferenzen
wurden mit zahlreichen Gesprächsrunden und
Gipfeln abgehalten, mit Abgesandten, die hin und
her eilten, und hauptsächlich leeres Geschwafel.
Dies alles basierte auf einer Lüge, welche die
Annahme war, dass Israel sogar die Beendigung
der Okkupation in Erwägung zog.
Die vierte Lüge, offensichtlich, ist das
Siedlungsunternehmen. Dieses Projekt wurde in
einer Lüge geboren und aufgezogen. Nicht eine
einzige Siedlung wurde auf ehrliche Weise
errichtet, beginnend mit einer Übernachtung im
Park Hotel in Hebron, durch ,,Arbeitslager",
,,Schutzlager", ,,archäologische Ausgrabungen",
,,Naturschutzgebiete", ,,Grünanlagen",
,,Brandplätze", ,,Landvermessungen", Außenposten
und Erweiterungen - all diese Fälschungen, die
mit einem Augenzwinkern und einem Nicken
begangen wurden, in diesem Kontext in der
größten Lüge kulminierend, der des „staatlichen
Lands", einer Lüge, die nur mit der Israels von
den Palästinensern als „anwesende Abwesende"
vergleichbar ist.
Die Siedler logen und die Politiker logen, die
Armee und die Zivilverwaltung in den besetzten
Gebieten logen - sie alle logen die Welt an und
belogen sich selbst. Aus dem Schutz eines
Antennenmastes erwuchs eine Mega-Siedlung, und
aus einem Wochenende in dem Hotel erwuchs die
schlimmste Baustelle von allen. Die
Kabinettsmitglieder, die unterschrieben, die
Knesset-Mitglieder, die nickten und mit den
Augen zwinkerten, die Offiziere, die
unterzeichneten und die Journalisten, die
weißwuschen, sie alle kannten die Wahrheit. Die
Amerikaner, die „verurteilten", und die
Europäer, die „wütend" waren, die
UN-Vollversammlung, die „aufrief', und der
Sicherheitsrat, der „entschied" - keiner von
ihnen hatte jemals die Absicht, dem irgendeine
Handlung folgen zu lassen. Die Welt belügt sich
ebenfalls. Es ist auf diese Weise für jeden
bequem.
Es ist ebenfalls bequem, täglich die endlosen
Lügen herauszugeben, die die Verbrechen der
Israelischen Verteidigungsstreitkräfte, der
Grenzpolizei, des Shin Bet, des
Gefängnisdienstes und der Zivilverwaltung zu
vertuschen - des gesamten Okkupationsapparats.
Es ist bequem, hygienische Sprache zu verwenden,
die Sprache der Besatzer, die von den Medien so
geliebt wird, dieselbe Sprache, die sie
verwenden, um ihre Ausreden und Rechtfertigungen
beschreiben. Es gibt kein anderes Weißwaschen
wie das der Okkupation, und es gibt keine andere
breite Koalition, die sie mit einer solchen
Hingabe erweitert und unterstützt. Die einzige
Demokratie im Nahen Osten, die eine brutale
Militärtyrannei unterhält, und die moralischste
Armee der Welt, die mehr als 500 Kinder und 250
Frauen in einem Sommer tötet - kann sich jemand
eine größere Lüge vorstellen als diese? Kann
sich jemand einen größeren Selbstbetrug
vorstellen als die vorherrschende Meinung in
Israel, dass uns all das aufgezwungen wurde,
dass wir das nicht wollten, dass die Araber
schuld sind? Und wir haben noch nicht einmal die
Zwei-Staaten-Lüge erwähnt und die Lüge über das
nach Frieden strebende Israel, die Lügen über
die Nakba 1948 und die „Reinheit" unserer Waffen
in diesem Krieg, die Lüge, die ganze Welt sei
gegen uns, und die Lüge, beide Seiten hätten
schuld.
Seit Golda Meirs „wir werden den Arabern nie
verzeihen, dass sie unsere Kinder gezwungen
haben, sie zu töten" bis zu „eine Nation kann
nicht Okkupant seines eigenen Landes sein",
Lügen folgen auf Lügen. Bis heute hat das nicht
aufgehört. Fünfzig Jahre Okkupation, fünfzig
Schattierungen der Verlogenheit. Und nun? Noch
einmal fünfzig Jahre? Dt. von: A. W.
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Essay
„Konföderationslösung“ in Nahost - Israels linke
Vorreiter
- Die
„Zweistaatenlösung“ in Israel und Palästina wird
immer unrealistischer. Doch es gibt neue Ideen,
vor allem die der „Konföderation“.
Ein Jubiläumsfieber zum 50. Jahrestag des
Krieges von 1967 hat sowohl Israels Linke als
auch die Rechte ergriffen. Die Rechten denken
sich immer neue Arten aus, Israels Triumph zu
zelebrieren – die Kulturministerin trug jüngst
auf den Filmfestspielen von Cannes sogar ein
Kleid mit aufgesprühten Jerusalem-Szenen –,
während die Linken händeringend versuchen, eine
apathische Öffentlichkeit daran zu erinnern,
welches Übel die Besetzung bedeutet.
Oft wird die Tatsache übersehen, dass 50 Jahre
Besetzung auch 50 Jahre Opposition bedeuten.
Zwar wurde das zentrale Ziel, der Abzug, nicht
erreicht. Doch die Geschichte des Widerstands
gegen die Besetzung enthält durchaus
Erfolgselemente. Die oft verspottete
„Friedensindustrie“ hat nicht nur Dialoge und
Demonstrationen hervorgebracht, sondern auch
Ideen zur Legitimation verholfen, die heute zu
den Kernprinzipien der Konfliktlösung gehören.
Die eroberten Gebiete nach 1967 zu behalten war
nie Konsens in Israel. Schon während des
Krieges, am fünften der sechs Tage, forderte der
linke Parlamentarier Uri Avnery die Regierung
auf, das eingenommene Land an die Palästinenser
zu übergeben, damit sie dort einen unabhängigen
Staat errichten könnten.
Kurz nach dem Krieg warnte der Philosoph
Jeschajahu Leibowitz davor, länger als nötig
über die Palästinenser zu herrschen. Er
argumentierte, dass Israel seine jüdische
Mehrheit verlieren und die Israelis zu
sicherheitsbesessenen Besatzern werden könnten.
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