Werden wir
das noch weitere 100 Jahre erlauben?
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01.03.2017 -
Maria
Landi (blog) -
[...]
OCHA
(UN-Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten)
berichtet, dass Israel 2017 im Westjordanland
(bereits) 170 palästinensische Strukturen einschl.
40 Wohnhäuser zerstört, etwa 300 Personen vertrieben
und die Mittel zum Lebensunterhalt von weiteren
4.000 Personen beschädigt hat. 2016 zerstörte
oder konfiszierte Israel 1.093 palästinensischen
Besitztümer, wobei es 1.600 Palästinenser vertrieb
– die Hälfte von ihnen Minderjährige – und die
Mittel zum Lebensunterhalt von etwa 7.000 Personen
schädigte. Das ist beinahe das Doppelte von
2015.
In Ost-Jerusalem
begann Israel mit dem Bau einer Autobahn, durch
die Jabal al-Mukaber in zwei Teile gespalten
wird, und wofür es Boden von 12 palästinensischen
Stadtteilen konfiszieren und 57 Wohnungen, in
denen 500 Personen leben, zerstören wird. Die
Autobahn soll jüdische Siedlungen anbinden,
während gleichzeitig alle Wege, die die palästinensischen
Stadtteile miteinander verbinden, beseitigt
werden, diese sind dann geografisch und wirtschaftlich
voneinander getrennte Inseln, was es der palästinensischen
Bevölkerung noch schwerer macht Schulen, Gesundheits-
und religiöse Zentren zu erreichen.
"Wir leben
in einem Zustand ständiger Angst", sagt Mohammed
al-Sawahra, ein Einwohner des Gebietes. "Es
ist als würden in zwei verschiedenen Welten
leben. In den palästinensischen Gebieten lebt
man wie in der dritten Welt, während den Israelis
in den Siedlungen, die auf dem Boden von Jabal
al-Mukaber erbaut worden sind, ein komfortables
Leben geboten wird wie in den Ländern der ersten
Welt."

In der Umgebung
von Ost-Jerusalem leben Gemeinschaften von Beduinen,
die für den Bau der riesigen jüdischen Siedlungsstadt
Ma'aleh Adumim vertrieben worden sind. Für den
Ausbau der Siedlung droht ihren prekären Gebäuden
ständig die Zerstörung und seinen Bewohnern
die Vertreibung. Im Februar erhielten sie
für insgesamt 40 prekäre Strukturen der Gemeinschaft
Khan al-Ahmar (einschließich der kleinen Schule,
die mit Mitteln der europäischen Kooperation
nach ökologischen Gesichtspunkten errichtet
worden ist) Abrißorder; mit dem Abriß würde
die Gemeinschaft in diesem Gebiet vollständig
ausgelöscht.
خصا بلا
مأوى بعد هدم منزلهم في العيساوية -
- 30 individuals are without a shelter

Am 20. Februar
zerstörten die israelischen Behörden zum zweiten
Mal in diesem Monat eine 8 1/2 km lange Wasserleitung,
die 47 Familien der bescheidenen Hirtengemeinschaften
al-Hadidiyya und Ras al-Ahmar im ariden Jordantal
mit Wasser versorgte. Die Wasserleitung ist
von UNICEF finanziert worden und hat 12.500
Euro gekostet. Nach den israelischen Behörden
wurde sie "abgeklemmt, weil sie illegal" ist
(d.h.ohne die erforderliche israelische Genehmigung
errichtet, die aber in 60% des besetzten Westjordanlandes
nicht zu erhalten ist).
Handelt es
sich um Verhaftungen, ist es fast nicht möglich
Liste von den dutzenden Festnahmen aufzustellen,
die die israelische Armee jede Nacht in verschiedenen
Orten und Flüchtlingslagern in Palästina durchführt.
Die Organisation Samidoun berichtet täglich
über die Jugendlichen, denen wegen Steinewerfens
der Prozess gemacht wird, über Gefangene, die,
nachdem sie ihre Haftstrafen von 12 und 15 Jahren
abgesessen haben, wenige Tage nach ihrer Freilassung
erneut verhaftet werden, oder über die zahlreichen
willkürlichen Festnahmen.
Der Journalist
Mohammed al-Qiq, der im vergangenen Jahr nach
94 Tagen Hungerstreik, mit dem er gegen seine
Administrativhaft (ohne Anlage und ohne Gerichtsverfahren)
protestierte, am Rand des Todes schließlich
im Mai freigelassen wurde, ist letzten Monat
erneut inhaftiert worden, wieder ohne Anklage.
Vor zwei Wochen hat al-Qiq wieder einen Hungerstreik
begonnen und wurde wegen der raschen Verschlechterung
seines Gesundheitszustand [...] in ein Krankenhaus
gebracht. Zur Zeit gibt es mehr als 6.500
politische Gefangene in den israelischen
Gefängnissen, mehr als 500 befinden sich
in Administrativhaft und mehr als 300 sind minderjährig.
Ein jüngster skandalöser Fall ist der des 15-j.
Ahmad al-Khadur, der wegen Steinewerfens auf
Soldaten zu 3 Monaten Haft und 800 Dollar Geldstrafe
verurteilt worden ist, obwohl er chronisch krank
ist: er leidet an Epilepsie und seit drei Jahren
an Leukämie und wegen seiner schwachen Gesundheit
eine spezielle Behandliung benötigt.
In
Gaza werden die (ohnhin) armen Fischer, die
bei dem Versuch den Lebensunterhalt für ihre
Familien zu gewinnen, in die ihnen erlaubten
wenigen Seemeilen zu fahren, auch dort routinemäßig
von der israelischen Marine verfolgt und angegriffen.
Diese Woche wurden fünf junge Fischer der Sippe
der Bakr festgenommen und ihre Boote konfisziert;
einer von ihnen, Mohammad Sabri Bakr, befindet
sich nach einem (zusätzlichen) Schuss in den
Rücken in einem kritischen Zustand.
Diese Vorfälle
ereignen sich zu oft, um als Nachricht in die
Medien zu gelangen. Das belagerte, bomabrdierte
und nie wieder aufgebaute Gaza, wo sich 2 Millionen
Menschen auf 350 qkm drängen, wo Krebspatienten
sterben, weil sie nicht für eine Behandlung
ausreisen dürfen, wo Babys in Inkubatoren aufhören
zu atmen (es gibt nur 4 Stunden täglich Strom),
ist nur dann eine Meldung wert, wenn irgendeine
selbstgebastelte Rakete, die keinen Schaden
anrichtet, auf israelisches Gebiet geworfen
wird.
Mitten
in der unendlichen Folge von Grausamkeiten und
den grassierenden Beleidigungen ist in dieser
Wochen etwas zum perfekten Symbol des rassistischen
Apartheidregimes geworden: die israelische
Justiz gab das Urteil über den Soldaten Elor
Azaria bekannt, der im März 2016 in Hebron
dem nach einem versuchten Messerattentat bereits
entwaffneten und auf dem Boden liegenden jungen
Palästinenser Abdel Fatah al-Sharif in den Kopf
geschossen hatte. Azaria, jetzt ein Nationalheld,
wurde wegen Totschlags zu 1 1/2 Jahren Haft
verurteilt.
Diese außergerichtliche
Exekution wäre wie so viele andere unbemerkt
und straflos geblieben, wenn sie nicht von einem
palästinensischen Zeugen gefilmt und verbreitet
worden wäre (dieser Palästinenser wird von den
Siedlern mit dem Tod bedroht). Die Behörden
hätten den Soldaten festnehmen und eine Ermittlung
einleiten müssen; ein Jahr später stellt das
Urteil einen Affront gegen alle palästinensischen
Opfer und ihre Familien dar.
Der Fall illustriert,
wie radikal verschieden Gesetze, Politik und
Praktiken des israelischen Staates je nach ethnisch-religiöser
Zugehörigkeit angewandt werden. Während ein
Soldat, der Uniform trägt und einen wehrlosen
Palästinenser aus nächster Entfernung exekutiert
– vor aller Welt und in einem Video dokumentiert
– eine Haftstrafe von 1 1/2 Jahren erhält, nur
weil er jüdische Nationalität hat, sind vor
einem Jahr fünf palästinensische Jugendliche,
die Hares-Boys, absolut ohne irgendeinen
Beweis oder Zeugen ebenfalls wegen Totschlags
zu je 15 Jahren Haft verurteilt worden.
Seit
diesem Musterfall haben weitere palästinensische
Jugendliche im vergangenen Jahr lange Haftstrafen
erhalten, weniger weil sie Israelis angegriffen
hätten, sondern wegen der Vermutung, sie hätten
so etwas beabsichtigt: im Februar wurde
der 17-j. Huzaifa Taha wegen des Versuchs
eines Messerattentats auf einen illegal in Ost-Jerusalem
lebenden Siedler zu 12 Jahren Haft verurteilt.
Der 17-j. Nurhan Awad wurde zu 13 Jahren und
der 14-j. Muawiya Alqam zu 6 Jahren Haft verurteilt,
beide in Ost-Jerusalem und mit der gleichen
Beschuldigung; die Jugendlichen Manar Shweiki
(16), Nurhan Awad (17) und Marah Bakir (17)
wurden zu 6, 13 und 8,5 Jahren Haft verurteilt
– sie wurden beschuldigt Messer bei sich gehabt
zu haben mit der Absicht Israelis anzugreifen;
die Jugendliche Malak Salman (17) erwartet im
März wegen der gleichen Beschuldigung eine ähnliche
Strafe; mit derselben Beschuldigung wurden im
Januar die 13-jährigen Kinder Shadi Farrah und
Ahamd al-Zaatari zu je 3 Jahren Haft verurteilt.
Innerhalb von Israel wurde die junge Shatila
Abu Aida (23) wegen eines Messerattentats auf
einen Israeli zu 16 Jahren Haft verurteilt.
2016 erhielt der 14-j. Ahmad Manasrah eine Haftstrafe
von 12 Jahren, da vermutet wurde, dass er, als
er 13 Jahre alt war, Siedler in Jerusalem mit
einem Messer angreifen hätte wollen; und fünf
Jugendliche erhielten längere Haftstrafen als
der Mörder Azaria nur weil sie Steine in Richtung
israelischer Besatzungssoldaten geworfen hatten:
Saleh Ishtayya (16), Muhammad Jaber (14) und
Murad Alqam erhielt 3-jährige Haftstrafen; Muhammad
Tayeh(17) und Zaid al-Tawil (16) erhielten 2
Jahre und 4 Monate. Und die Liste könnte verlängert
werden...
Und das wird
so weiter gehen, während Regierungen, multilaterale
Organe und Menschen, die dabei stehen, Israel
erlauben die Menschenrechte systematisch Tag
für Tag seit fast sieben Jahrzehnten zu verletzen.
Die 'internationale Gemeinschaft' (USA und seine
Verbündeten) versteht es Sanktionen zu verhängen,
wenn sie möchte, dass in einem Land ein Regimewechsel
stattfindet. Aber Israel verurteilt man nur
mit Worten. Das jüngste Beispiel ist die
Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates
(im Dezember verabschiedet), die die ununterbrochene
zionistische Kolonisierung (Besiedlung) Palästinas
verurteilte, die aber von keinerlei Maßnahmen
begleitet war, um sie anwendbar zu machen.
Die Antwort
Israels war dieselbe wie immer: den Ländern
drohen, die für die Resolution gestimmt haben;
ankündigen, dass sie sie nicht beachten und
weiterhin auf palästinensischem Territorium
Siedlungen ausbauen und neue Siedlungen errichten
werden. Und um noch eins drauf zu setzen, verabschiedete
die Knesset im Februar ein umstrittenes Gesetz,
um die (von Israel) nicht genehmigten Siedlungen
im Westjordanland zu legalisieren, was rückwirkend
4.000 Wohneinheiten auf privatem palästinensischem
Land betraf. Wie die Chefin der PLO, Hanan Ashrawi
erklärte, ist dieses neue Gesetz "die endgültige
Annexion des Westjordanlands" und wird den Siedlern
die Freiheit geben "um sich in völler Straflosigkeit
auf den Landraub einzulassen".
2017 ist ein
wichtiges Jahr für das historische palästinensische
Gedächtnis wegen mehrerer Jahresgedenken: 100
Jahre Balfour-Erklärung [...], 70 Jahre
UN-Teilungsresolution Nr. 181 [...], 50 Jahre
(ein halbes Jahrhundert) Besatzung von Gaza,
Westjordanland, Ost-Jerusalem und den syrischen
Golanhöhen durch die israelische Kriegsmaschinerie;
10 Jahre unmenschliche Blockade des Gazastreifens;
und 30 Jahre nach der ersten Intifada. In der
ganzen Welt werden Initiativen vorbereitet,
um diese Jahresgedenken mit bedeutenden und
effektiven Aktionen zu begehen, die eine Beendigung
der Straflosigkeit Israels auf den Weg bringen
und sagen sollen: Es reicht! Jeder kann sich
den Aktivitäten in seinem Land anschließen.
Die erste wird
zwischen März und April die 13. Woche gegen
die israelische Apartheid sein mit mehr
als 200 vorgesehenen Veranstaltungen in fünf
Kontinenten zur Stärkung und Verbreitung der
BDS-Bewegung, die dazu aufruft Druck auf Israel
auszuüben und es zu isolieren, bis es das internationale
Recht (Völkerrecht) und die Rechte des palästinensischen
Volkes respektiert. In dieser Woche wird es
einen besonderen Impuls in Lateinamerika geben:
es wird erwartet, dass dies das Jahr für den
Senkrechtstart von BDS sein wird, einer Bewegung
der palästinensischen Basis und Führung, wo
die Hauptrolle die Menschen haben werden und
die, die fest daran glauben, dass die dauerhaften
Veränderungen von unten gemacht werden.
Quelle
Übersetzung:
K. Nebauer
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