Israelische Angriffe und die Medien:
Gaza, ein Jahr danach
- Izaskun
Sánchez Aroca, Active.stills/Periódico
diagonal -
Wie soll man die
Massaker und israelischen Angriffe
sichtbar machen, die den Fokus der
großen Medien fliehen? Wir wollen
uns die Situation im Gazastreifen
ein Jahr nach der Militäroperation
Protective Edge ansehen.
Im besten Fall
schlägt eine israelische Rakete in
die Tür deines Hauses ein. Das
heißt, du hast zehn Minuten Zeit, um
es zu verlassen, bevor sie
bombardieren. Zehn Minuten, um deine
Familie heraus zu holen, die
vermutlich groß ist und aus 8 oder
10 Mitgliedern besteht, von denen
eines mit Sicherheit alt ist und dem
es schwer fällt, sich schnell zu
bewegen. Oder du bekommst plötzlich
einen "anonymen" Anruf mit
Roboterstimme, die dir sagt, dass du
dein Haus verlassen sollst, dass es
zerstört wird. Dann überlegst du,
wohin du gehen sollst, wenn sie den
ganzen Gazastreifen bombardieren und
es wegen der israelischen Blockade
praktisch unmöglich ist, Gaza zu
verlassen. Das alles geschieht wie
gesagt im besten Fall. Im
schlechteren wird ohne
Vorankündigung bombardiert. So war
es in der israelischen
Militäroffensive Protective Edge.
Zwischen dem 7. Juli
und dem 28. August 2014 griff Israel
den Gazastreifen vom Land, von der
See und aus der Luft an und tötete
mehr als 2.200 Menschen, in der
Mehrheit Zivilpersonen, 504 Kinder
und 257 Frauen. Mehr als 1.500
Kinder blieben als Waisen zurück.
Während der 50 Tage des Angriffs
schoss Israel mehr als 6.000 Raketen
ab, von denen viele in größere
Wohnhäuser, kleine Häuser und sogar
in Einrichtungen der Vereinten
Nationen einschlugen. Mehr als
11.300 Menschen wurden verletzt,
davon waren 3.436 Minderjährige und
3.450 Frauen; 10% von ihnen sind
nun dauerhaft behindert. Am
Höhepunkt der israelischen Angriffe
erreichte die Zahl der
Binnenflüchtlinge eine halbe
Million, das entspricht 28% der
Bevölkerung Gazas. Mehr als 18.000
Häuser wurden völlig oder teilweise
zerstört, 73 medizinische
Einrichtungen und dutzende
Ambulanzwagen wurden zerstört.
Es sind Zahlen der
Vereinten Nationen, die um die halbe
Welt gekreist sind, aber scheinbar
nur dazu gedient haben, die Berichte
über Menschenrechtsverletzungen
durch den Staat Israel zu vergrößern
und zu vielfachen Resolutionen der
UN-Generalversammlung zu führen, die
aber nicht bindend sind. Es gibt
keine Sanktionen gegen Israel.
Die
Berichterstattung der großen Medien
- Militärische Offensiven und
Angriffe gehören zum Alltag der
Bevölkerung von Gaza. Das Surren der
Drohnen ist immer da.
Schätzungsweise benötigen 20% der
Bevölkerung des Gazastreifens eine
psychologische Langzeittherapie. Im
Gaza-streifen und in Palästina
allgemein spricht man nicht einmal
von Posttraumatischem Stress (PTSD),
weil es kein "Post" gibt, die
Angriffe erfolgen täglich. Die
palästinensische Bevölkerung
verurteilt die ständigen
Menschenrechtsverletzungen und Morde
durch Israel und fordert aber auch
eine würdige (anständige) Behandlung
durch die internationalen Medien,
die bei jeder Eskalation der Gewalt
mit großen Zahlen ohne Zusammenhang
und einer konfusen Information
berichten, was die Vorstellung eines
komplexen und auf Grund einer
fehlenden politischen Einigung
chronifizierten Konflikts weiter
nährt.
So verurteilen es
verschiedene Aktivisten wie die
Dichterin Rafeef Ziadah, die in
ihrem berühmten Gedicht We teach
life, Sir von ihren Erfahrungen mit
den Medien als Pressesprecherin
während der Operation Gegossenes
Blei 2008/09 erzählt, bei der Israel
mehr als 1.400 Menschen tötete.
Rafeef greift in einer überzeugenden
Rede die großen Medien an, indem sie
sagt, sie suchten nur Statistiken
und große sensationelle
Schlagzeilen, die zu einigen
Sekunden im Fernsehen oder Radio
sowie zu bestimmten Merkmalen
passen.
Aber hinter der
Statistik gibt es Menschen mit ihrem
Leben und ihren Projekten, nicht nur
Blut überströmte Körper, Ruinen und
Elend, Bilder, die in unserer
Vorstellung am häufigsten
auftauchen, wenn wir von Gaza
sprechen. Das wollte auch Bayan
Abusneineh und Dana Seifan zeigen,
als sie mitten in der Operation
Protective Edge die Webseite
humanizepalestine.com schufen, auf
der man Fotos und Namen der Menschen
findet, die von Israel getötet
wurden. In einem Interview auf
Electronic Intifada erzählte
Abusneineh, wie die Idee entstand:
"Am Anfang wurde mir klar, dass es
für die Menschen notwendig war,
Bilder davon zu sehen, was in Gaza
passierte. Aber dann begann ich an
die drei israelischen Siedler zu
denken, die entführt worden waren.
Ihre Gesichter waren überall.
Normalerweise, wenn Israelis getötet
werden, werden nie ihre Körper
gezeigt, sondern nur ihre lächelnden
Gesichter. Das schafft Empathie."
Sie begannen auf ihrer Webseite
tausende Fotos von getöteten
Personen in glücklichen Momenten
ihres Lebens zusammen mit ihren
Namen zusammen zu tragen.
Eine der letzten
Initiativen zur Sichtbarmachung von
Familien aus Gaza, die 2014 getötet
wurden, ist die des
Fotografenkollektivs Activestills
mit israelischen und internationalen
Berufsfotografen. Mit der Kampagne #ObliteratedFamilies
(zerstörte Familien) möchten sie,
dass jeder einen Platz ihres Dorfes
oder ihrer Stadt mit den Gesichtern
der während der Operation Protective
Edge Getöteten und ihrer Familien
bekleben kann. Dafür haben sie ein
Fotoarchiv mit Texten geschaffen,
das jeder aus dem Internet
herunterladen und ausdrucken kann.
[...] Quelle:
www.palestinalibre.org/articulo.php?a=57145
Übersetzung: K. Nebauer
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